8. April 2013

Streit und Verwirrung um "Radweg" in Tempo 30-Zone

Quarrel and Confusion around "Cycle Track" in Speed Zone

Aktualisiert am 04.05.2013

Essen, Bismarckstraße: Paradies für Autofahrer und Radfahrer, die lieber im Mischverkehr fahren. Für andere Radfahrer gibt es die "Erlebnisroute", die über die Bismarckstraße führt


In der Autostadt Essen gibt es eine halbherzig betriebene "Radverkehrsförderung". Zwar ist auch Essen wie z.B. Köln Mitglied in der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte in NRW", doch echte Radverkehrsförderung sieht anders aus als in Essen betrieben. Die Auszeichnung mit der "Rostigen Speiche" aus der Hand von Umweltminister Klaus Töpfer liegt 22 Jahre zurück, doch trotz der Stelle eines Radverkehrsbeauftragten in der Verwaltung und der Mitgliedschaft in der erwähnten Arbeitsgemeinschaft ist Essen noch lange kein Radlerparadies. Essens ADFC-Vertreter Jörg Brinkmann ordnet den Stellenwert des Radverkehrs in Essen so ein:

Wo es schwierig wird, genieße der Autoverkehr immer Priorität.

Angesichts des schlechten Ergebnisses beim Fahrradklima-Test des ADFC bilanziert Jörg Brinkmann die sieben Jahre "Radverkehrsförderung" zwischen dem Test von 2005 und 2012 als "Stagnation auf niedrigem Niveau". Essen verbesserte sich immerhin von Note 4,10 auf die Note 3,97, ganze 0,13 Notenpunkte. Tatsächlich hat sich in Essen einiges getan, doch der Schwerpunkt der Radverkehrsförderung liegt wie im gesamten Ruhrpott nicht auf dem Alltagsverkehr, sondern auf dem Freizeitverkehr am Wochenende. In den Grünanlagen ist es relativ einfach Schilder für eine Radroute aufzustellen, aber das ist noch lange keine alltagstaugliche Radverbindung. Im Straßenraum hat der Autoverkehr weiterhin absoluten Vorrang. Radwege oder Radstreifen gibt es, wenn Parkplätze und freie Autofahrspuren bedient sind. Und oftmals fallen die Lösungen für Radwege oder Radstreifen nach dem Muster "gut gemeint, aber nicht gut gemacht" aus. So auch in de Rüttenscheider Straße.


Erlebnisradroute in Rüttenscheid

"Erlebnisradroute" zwischen Rüttenscheider Straße und Bismarckstraße

"Erlebnisradroute" über die Bismarckstraße

"Erlebnisradroute" über die Bismarckstraße

"Erlebnisradroute" über die Bismarckstraße: Erlebnis- aber nicht alltagstauglich der Treppenabgang

"Erlebnisradroute" über die Bismarckstraße

"Erlebnisradroute" zwischen Bismarckstraße und Goethestraße: Keine Verkehrszeichen, nur die Routentäfelchen weisen auf die Radverkehrsanlage hin. Schieben oder radeln ist hier die Frage. Zumindest stört der Radverkehr hier nicht den Autoverkehrsvorrang



"Radweg" Rüttenscheider Straße

Ärger gibt es um die "Radwege" in der Rüttenscheider Straße, die große Einkaufsstraße und Lebensader im Süden der Stadt. Nach Verlegung der Straßenbahn in den Untergrund wurde die Straße "verkehrsberuhigt": Mehr Parkplätze, schmale "Radwege" im Slalom zwischen Gastrosommergärten und Parkuhren in der Tempo 30-Zone bei regem Fußgänger-, Parksuch- und Lieferverkehr. Radfahrer haben das Nachsehen, die Lösung mit den konfliktträchtigen "Radwegen" hat sich nicht bewährt. Der ADFC fordert nun einen erneuten Straßenumbau, doch Geschäftsleute und Politiker bremsen die Wünsche der Radfahrer aus. CDU-Bezirkpolitikern Heidemarie von Münchhausen hat ein entsprechend befremdliches Verhältnis zum Radverkehr in der Rüttenscheider Straße.

Radfahrer könnten absteigen, wenn es die Verkehrssituation erfordere.

Und um die Kenntnisse der Verkehrsregeln bezüglich des Radverkehrs ist es in Essen auch sehr schlecht bestellt. WAZ-Redakteurin Jennifer Schumacher hat die StVO-Änderung zum Monatsanfang nicht begriffen.

Seit 1. April gilt die neue Straßenverkehrsordnung, laut der auch Radfahrer künftig bei Verstößen tiefer in die Tasche greifen müssen. So ist es seit Inkrafttreten etwa verboten, die Straße zu nutzen, wenn auf gleicher Strecke auch ein Radweg gekennzeichnet ist. Problem auf der Rüttenscheider Straße sei aber, dass der mit rotem Pflaster und Rad-Piktogrammen markierte Weg rechtlich kein Radweg im eigentlichen Sinne ist.

Denn trotz neuer StVO dürfen Radfahrer weiterhin auf der Fahrbahn fahren, wenn Radwege nicht benutzungspflichtig, nicht benutzbar oder nicht zumutbar sind. Und weiterhin ist die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht in einer Tempo 30-Zone nicht zulässig. Mit den Kenntnissen hat es bei den Essener Polizisten auch noch Nachholbedarf. Radfahrer Eckhard Hasselbrink zog vor Gericht, weil ihn ein Polizist mit einem Bußgeld belegte. Hasselbrink war im Mai 2012 in der Rüttenscheider Straße auf der Fahrbahn gefahren, statt auf dem "Radweg" - innerhalb der Tempo 30-Zone. Essen ist noch lange keine fahrradfreundliche Stadt.



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2 Kommentare:

  1. Das ist ein sehr komischer Artikel in der WAZ. Ein "Rolf Krane" behauptet, der rote Streifen sei gar kein Radweg. Aber ist das nicht ein nicht klassischer Fall von einem "Radweg ohne Benutzungspflicht"?

    Und was genau das Amtsgericht und das OVG da jetzt bezüglich des Bußgelds von Eckhard Hasselbrink entschieden hat, habe ich auch nicht begriffen?

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  2. M.E. ein weiteres trauriges Beispiel dafür, dass man sich gleich "richtig" wehren sollte. Unterstellt, die Berichterstattung ist richtig, so hat das Verwaltungsgericht einen Radweg ohne Benutzungspflicht (mittlerweile in § 2 Abs. 4 S.3 StVO geregelt) zum Schutzstreifen erklärt, dessen Benutzungspflicht sich höchstens aus dem Rechtsfahrgebot herleiten ließe, was angesichts der Fotos (Poller) mir jedoch ausgeschlossen scheint. IMHO ein vermeidbares Fehlurteil, ich kann mir kaum vorstellen, dass Herr Hesselbrink hier richtig argumentiert hat.

    Angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes war dies zwar nicht seine Pflicht, hätte dem Radverkehr aber wesentlich mehr genützt. Mein Dank gilt ihm jedoch für die relativ aussichtslose Bemühung des OVG, das dankenswerter Weise immerhin mit rechtlichem Hinweis auf das korrekte Verhalten antwortete. Eine Klarstellung der Rechtslage zu diesem "Radweg" wäre allerdings noch besser gewesen, diesen vermisse ich im gesamten Artikel.

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