1. April 2013

Einführung der neuen Straßenverkehrs-Ordnung beginnt mit zahlreichen Falschinformationen

April Joke in Tagesschau to New Cyclists Rules




Zum 1. April wurden eine überarbeitete Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung und ein neuer Bußgeldkatalog eingeführt. Leider haben zahlreiche Medien die Neuerung mit Falschinformationen angekündigt. So wurde gestern abend in der Tagesschau verbreitet, dass Radfahrer seit heute nicht mehr auf der Fahrbahn fahren dürften, wenn Radwege vorhanden sind. Ein womöglich folgenreicher und zugleich auch gefahrenreicher Aprilscherz der ARD. In einem Bericht von Griet von Petersdorff in der Tagesschau:

Das Verwarngeld ist um fünf bis zehn Euro höher, wenn die Radfahrer zum Beispiel neben einem Radfahrweg auf der Straße fahren . . .


Auch andere Medien berichteten von Bußgeldern wegen Befahren der Fahrbahn neben Radwegen. Die Regelungen zur Radwegbenutzungspflicht ändern sich jedoch nicht im Vergleich zur vorherigen Fassung. Weiterhin müssen Radfahrer nur dann Radwege benutzen, wenn diese erstens mit einem blauen Verkehrszeichen (VZ237, VZ240, VZ241) gekennzeichnet sind, und zweitens benutzbar und zumutbar sind (Radwegbenutzungspflicht). Sind Radwege wie derzeit immer noch vereist, dann dürfen Radfahrer trotz einer Radwegbenutzungspflicht auf die Fahrbahnen ausweichen. Zugeparkte, zugewachsene, abgesperrte oder vereiste Radwege können nicht benutzt werden und müssen daher auch nicht benutzt werden. In solchen und anderen Fällen gibt als Rückfallebene weiterhin die Möglichkeit auf der Fahrbahn zu fahren, oder aber das Rad wie auch sonst zu nahezu jeder Gelegenheit möglich auf den Gehwegen zu schieben.

Weiterhin sind die Kommunen in der Pflicht ihre Radwege in einem sicheren Zustand zu halten, denn die Radwege sind in aller Regel zur Erhöherung der Verkehrssicherheit für Radfahrer angelegt worden. Unbenutzbare Radwege oder aber schlecht angelegte Radwege, deren Benutzung mit erhöhten Gefahren verbunden ist, helfen kaum einem Radfahrer und sind Geldverschwendung.

In zahlreichen Medien wurde verbreitet, dass Parkgebühren für Autofahrer erhöht würden. Richtig ist aber, dass "Rüpel-Autofahrer", die falsch oder ohne Parkticket parken, mit höheren Bußgeldern rechnen müssen. Mit Schlagzeilen wie "Teurer Parken" oder "So schröpft der Staat die deutschen Autofahrer" suggerieren Journalisten den Lesern, dass Falschparken der Normalfall für regeltreue Autofahrer sei. In den gleichen Artikeln werden aber regeluntreue Radfahrer als "Rüpel" bezeichnet. Das hat wenig mit Journalismus zu tun, sondern ist das eigene Bekenntnis zum "Verkehrs-Rüpel" oder eine Kampfansage an die schwächeren Verkehrsteilnehmer ohne Knautschzone.

Von der ARD wäre eine Richtigstellung zur Aussage in der Tagesschau notwendig, bevor Autofahrer in Selbstjustiz Radfahrer auf Deutschlands Fahrbahnen schikanieren, drangsalieren oder gefährden.
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8 Kommentare:

  1. Schöner Artikel, ich wünschte mir allerdings im Abschnitt über die fortbestehende Verkehrssicherungspflicht für nicht benutzungspflichtige Radwege eine bessere Differenzierung:

    Wofür Radwege angelegt wurden, darüber lässt sich m.E. trefflich streiten. Die Motivation ist auch irrelevant für die Frage. Weil Radwege für Radfahrer gewidmete Verkehrsflächen sind, müssen sie in Stand gehalten werden, genauso wie alle anderen dem Verkehr gewidmete Flächen. Diese formale Begründung kann man untermauern mit der Feststellung, dass nicht benutzungspflichtige Radwege von mehr als 90% der Radfahrer auf einer Straße genutzt werden.

    Sollte ich vorhandene Ironie bei der "Erhöherung" der Verkehrssicherheit übersehen haben, bitte ich um Entschuldigung. Ich befürchte jedoch Missverständnisse bei anderen Lesern, die evtl. an eine höhere Sicherheit von Radwegen tatsächlich glauben. In der Sache stimme ich allerdings zu, Radwege müssen in Stand gehalten oder zurückgebaut werden. Ich bevorzugte an einigen Stellen den Rückbau, da die bauliche Anlage auch bei bestem Belag extrem unsicher wäre.

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  2. Ich wüsste gerne, um welche Untersuchung es sich handelt bezüglich der 90 Prozent regeltreuen Radfahrens auf freigegebenen Radwegen. Zumindest für Hamburg trifft die "Feststellung" nicht zu, da die meisten Radfahrer in Hamburg neben den "Radwegen" auf den Gehwegen fahren - aus unterschiedlichsten Gründen. "Radwege", die also gar nicht von Radfahrern genutzt werden, weil sie überwiegend nicht benutzbar sind, sind Placebos, die Radfahrer zu Verkehrsvergehen verleiten. Merkwürdig ist nur, dass alle wegesehen, wenn Radfahrer neben unbenutzbaren "Radwegen" auf Gehwegen ausweichen, ansonsten aber Gehwegradler verfolgt werden, wenn gerade mal kein "Radweg" in der Nähe ist.

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  3. BAST V184, S. 32 ff. stellt diese hohe Benutzungsquote nicht benutzungspflichtiger Radwege fest. Ausweichen auf den Gehweg wird dort eher bei punktuellen Hindernissen genannt.

    Hamburg ist evtl. tatsächlich anders, denn permanentes Gehwegradeln neben Radwegen fällt mir unabhängig von einer Benutzungspflicht nur selten auf. Permanentes Hineinragen in Gehwege aufgrund baulicher Enge ist sicher häufiger, ich achtete in der Vergangenheit aber auch kaum bewusst darauf, die Forscher der BaST mutmaßlich auch nicht.

    Unabhängig davon vermehren Hochbordradwege grundsätzlich Gehwegradler. Abgesehen vom punktuellen Ausweichen bei Hindernissen oder Hineinragen haben mittlerweile viele Radfahrer Angst vor der Fahrbahnnutzung. Da sie mit falschen Sicherheitsversprechen auf Radwege gelockt und gezwungen werden und zudem die Unterscheidung zwischen erzwungener Mischnutzung auf engstem Raum und verbotener Mischnutzung desselben Raumes oft willkürlich erfolgt, suchen sie zu häufig Hochbordnutzung.

    I.Ü. halte ich jedenfalls innerörtliche straßenbegleitende Radwege immer für Placebos, da sie nur die subjektive Sicherheit vieler Radfahrer erhöhen.

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  4. Gehwegradeln neben "Radwegen" erfolgt, weil...
    # die Linienführung an der Kreuzung oder überhaupt verschwenkt
    # der "Radweg" zu schmal ist, um den Sicherheitsabstand zu den Gehwegparkern oder Längsparkern neben dem "Radweg" einzuhalten
    # die "Radweg"-Oberfläche schlechter als der Gehwegbelag ist
    # der "Radweg" nicht geräumt ist (kein Winterdient), aber der Gehweg
    # Fußgänger, Hunde, sonstiges auf dem Radweg rumlaufen oder rumstehen
    # bei Überholvorgang auf schmalem "Radweg"
    # Cargobiker und Radler mit Anhängern
    # Mülltonnen, alle Sorten von "Falschparkern" (auch Fahrräder), Geschäftsauslagen, Straßencafés
    # fest eingebaute Bäume, Straßenlaternen, Ampelmasten, Verkehrszeichenpfosten, Abfallbehälter im Radwegprofil
    # aus Gründen des Geisterradelns
    # um zu zweit nebeneinander zu radeln
    # . . .

    Die Experten aus der BAST-Studie werden sicherlich nicht genau Abweichungen von den oben genannten Kriterie erfasst haben. Wie zuvor erwähnt zählt für die meisten die "Radwegbenutzung", wenn nicht auf der Fahrbahn, sondern irgendwo im Seitenraum geradelt wird.

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  5. Ich verstehe nicht ganz, welche Zielrichtung die Diskussion hat, denn wir stimmen in nahezu allen Punkten überein. Ich wünschte mir nur eine stärkere Differenzierung zwischen Radweg und Verkehrssicherheit, beim Ausgangsartikel hatte ich den Eindruck, dass man es als Bestätigung einer grundsätzlichen Sicherheit von Radwegen bei besserer Instandhaltung auffassen könnte.

    Ich halte die genannten Gründe für durchaus schlüssig, sie gelten für Radwege im Allgemeinen unabhängig von der Benutzungspflicht, sind aber größtenteils Begründungen für punktuelles Ausweichen auf den Gehweg.

    Ich lese die Studie so, dass Radfahrer weit überwiegend nichtbenutzungspflichtige Radwege benutzen. Es wurde allerdings genau auf die unterschiedlichen Seitenräume geachtet und nicht nur zwischen Fahrbahn und Seitenraum unterschieden. Ob aber das Hineinragen dabei immer als Gehwegradeln klassifiziert wurde, weiß ich nicht, vermutlich nicht.

    Allerdings wurden stark unterschiedliche Anteile von Gehwegradlern je nach Örtlichkeit festgestellt. M.E. sind bei entsprechenden Gegebenheiten Anteile bis 90 % Gehwegradlern möglich, allerdings nicht im Durchschnitt auf allen Straßen bei allen Bedingungen. Dafür wurden eher 10 % Gehwegradler festgestellt, was sich mit meinen subjektiven Eindrücken deckt.

    Ich wollte auch nur anmerken, dass nach Aufhebung einer Benutzungspflicht kaum stärkere Fahrbahnnutzung auftritt, mithin der Radweg nahezu unverändert stark benutzt wird und dies als zusätzliches Argument für die Instandhaltung oder den Rückbau dieser Radwege genutzt werden kann.

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  6. Dann stimmen wir im großen und ganzen überein, was die Instandhaltung betrifft. Mir ist die BAST-Studie bekannt, in Hamburg wurden keine Erhebungen im Rahmen der Studie unternommen.
    Allerdings beobachte ich das Gehwegradeln neben Radwegen nicht als "punktuelles" Phänomen. Wenn z.B. alle zwanzig Meter ein Hindernis im "Radweg" steht radelt der Radler im Verlauf eines Blockabschnitts mehrmals außerhalb seines Lichtraumprofils, ggf. zusätzlich auch noch vor der Kreuzung wegen Verschwenkung. Und ragt der Lenker in das Lichtraumprofil des Gehwegs und verursacht der Radler dabei einen Unfall mit einem Fußgänger, dann ist er dran. Also ist das Ausweichen in das Lichtraumprofil des Gehweges schon Gehwegradeln.

    Zu unterscheiden ist natürlich, dass unabhängig von Benutzbarkeit und Unterhaltungszustand die meisten deutschen Radwege eher ein Sicherheitsrisiko darstellen im Vergleich zur Benutzung der Fahrbahnen. Das lässt sich mit ein wenig Kosmetik an den bestehenden "Radwegen" kaum beheben, z.B. durch den üblichen alleinigen Austausch der rechteckigen durch quadratische Betonsteine. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Radwegen für Radwegliebhaber halte ich es aber für richtig, Radwege nach Kopenhagener Modell anzulegen. Damit würde den Sicherheistansprüchen der Radwegliebhaber entsprochen wie auch Placebo-"Radwege" aufgewertet zu echten Radverkehrsanlagen. Den Nicht-auf-der-Fahrbahn-Radlern wäre damit geholfen, deren Sicherheit wesentlich verbessert.

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  7. Schön das wir unsere Übereinstimmung finden konnten. Bei genügend häufigem Vorliegen der genannten Kriterien ist das Ausweichen sicher nicht mehr punktuell. Dies scheint mir in Hamburg in der Tat häufiger der Fall zu sein, Berlin hat m.E. weniger und weniger schlimme Radwege. Die Instandhaltung dürfte dabei die wenigsten Probleme des Gehwegradelns lösen, das könnten m.E. nur Neubau von Radwegen Kopenhagener oder Niederländischer Art oder der Rückbau.

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