aktualisiert am 13.04.2013
Heimfelder Straße April 2012: Rückbau des 80 cm schmalen "Radwegs" auf der Nordseite |
Das Hamburger Abendblatt thematisierte erneut den Radwegrückbau in der Heimfelder Straße. 2012 wurde auf der Nordseite der sehr schmale Placebo-"Radweg", der durch das auf dem Gehweg legalisierte Parken unbenutzbar war, zurückgebaut. Die Fläche des ehemaligen "Radwegs" ist nun Teil des ohnehin nicht besonders breiten Gehweges. Auf der Südseite in Richtung Harburg Zentrum ist auf längeren Abschnitten noch ein solcher "Radweg" vorhanden. Vorerst zögert der Bezirk offensichtlich den Rückbau dieses Placebo-"Radwegs" angesichts der heftigen Reaktionen, die der Abbau vor einem Jahr bewirkte.
Heimfelder Straße: Hier war einmal ein "Radweg"
Vergleich Heimfelder Straße mit und ohne "Radweg" |
Das Abendblatt berichtete letzte Woche über zahlreiche Gehwegradler, die nach "Radweg"-Abbau eigentlich auf der Fahrbahn fahren müssten. Vor allem ältere Radler trauen sich aber nicht auf die Fahrbahn und halten weiter an alten Gewohnheiten fest. Laut der örtlich zuständigen Polizei soll es trotzdem aber keine Unfälle im fraglichen Bereich und Zeitraum nach Rückbau gegeben haben, trotz Gehwegradelns und vermeintlichen Konflikten mit Fußgängern. So berichtete das Abendblatt von rüden Radfahrern, die sich mit lautem Klingeln den Weg zwischen parkenden Autos und Fußgängern frei klingeln. Ältere Fußgänger fühlten sich stark verunsichert. Im Rahmen einer Aktionswoche wolle das PK46 ab dem 15. April verstärkt gegen Falschfahrer auch in der Heimfelder Straße vorgehen, um so ein wenig Druck auf die Radler auszuüben, damit das Fahrbahnradeln von allen akzeptiert wird.
Aber wie gefährlich ist das Gehwegradeln in der Heimfelder Straße tatsächlich? Es gibt doch in Hamburg weitaus engere Gehwege, auf denen das Radeln sogar erlaubt ist. In der Straße Kurzer Kamp im Bezirk Nord hat es zwischen den legal auf dem Gehweg parkenden Autos und den Grundstückseinfriedungen eine maximale Gehwegbreite von 1,5 Metern, die Verkehrsmenge ist wesentlich geringer als in der Heimfelder Straße. Trotzdem und trotz einer anliegenden Senioreneinrichtung ist das Gehwegradeln dort straßenverkehrsbehördlich erlaubt, obwohl Radler dort bei einer Verkehrsfläche von 1,5 Metern einer ausreichenden Abstand zu den Hecken auf der rechten Seite wegen austretender Fußgänger einhalten müssen, wie auch zur linken Seite zu den Autotüren auf der Beifahrerseite. Spötter würden vielleicht sagen: Nichts ist unmöglich in Hamburg. Aber dies hilft den Heimfelder Radlern nicht. Im Kurzen Kamp im Norden Hamburgs hat es eine andere Straßenverkehrsbehörde, die auch das Gehwegradeln auf den vergleichsweise engeren Gehwegen in der Hummelsbütteler Landstraße nach Aufhebung der Benutzungspflicht weiterhin erlaubt.
Kurzer Kamp - Radeln auf den engen Gehwegen ist offiziell erlaubt
Kurzer Kamp: Gehwegradeln und Gehwegparken erlaubt |
Kurzer Kamp: Gehwegradeln und Gehwegparken erlaubt |
Kurzer Kamp: Gehwegradeln und Gehwegparken erlaubt |
Kurzer Kamp: Achtung: Senioren! - Gehwegradeln und Gehwegparken erlaubt |
Hummelsbütteler Landstraße: Gehwegparken und Gehwegradeln erlaubt |
Hummelsbütteler Landstraße: Gehwegparken und Gehwegradeln erlaubt |
Kollaustraße: Sehr breite Straße, aber Radfahrer sollen hier auf dem Gehweg fahren |
Schizophrenie in Heimfeld
Doch warum regen sich jetzt Anwohner und Medien über die falsch fahrenden Radfahrer nach Abbau des Radweges in der Heimfelder Straße auf? Warum hatte sich jahrzehntelang zuvor kein Hamburger Abendblatt und kein Radfahrer und kein Anwohner über die zu schmalen Placebo-"Radwege" zwischen Autos auf dem Gehweg und dem schmalen Restgehweglein aufgeregt? Der Vorher-Zustand ist weiterhin auf der Südseite der Heimfelder Straße präsent. Dort gibt es noch den halb zugeparkten "Radweg", neben dem auf einer Fläche, die schmaler als normale handelsübliche Pkw ist, Autos parken dürfen. Der nur 80-100 cm breite "Radweg" ist als solcher durch das Beparken nicht mehr benutzbar. Aus Sicherheitsgründen müssen Radfahrer darauf achten, dass sie nicht gegen eine sich auf der Beifahrerseite öffende Autotür fahren und daher einen Sicherheitsabstand zu den Autos von mindestens einem Meter einhalten. Dadurch fahren sie dort fast ausnahmslos - regelwidrig - neben dem Radweg mittig auf dem Gehweg und seit Jahrzehnten regt sich niemand darüber auf. Der Unterschied zur gegenüberliegenden Straßenseite: Die Nordseite hat bei gleicher Breite zwischen parkenden Autos und Grundstückseinfriedungen keine roten Radwegsteinchen mehr, die Südseite suggeriert noch, dass da irgendwo Radler fahren sollten oder dürften oder was auch immer.
Der noch vorhandene "Radweg" auf der Südseite |
Der noch vorhandene "Radweg" auf der Südeseite |
Der Gehweg neben dem "Radweg" misst je nach Standort der alten Straßenbäume maximal 1,5 Meter, was auch nicht gerade sonderlich breit ist. Fußgänger haben dort auch nicht gerade viel Platz zum nebeneinander Gehen oder zum Ausweichen bei Gegenverkehr. Immer wieder weichen Fußgänger auf den "Radweg" aus, doch deswegen gibt es kein Geschrei in Heimfeld, kein Ruf nach Polizei und Abendblatt. Man hat sich in ganz Hamburg über Jahrzehnte hinweg arrangiert, dass bei der Aneinanderreihung von zu schmalen Parkplätzen neben zu schmalen Radwegen und zu schmalen Gehwegen alle Verkehrsteilnehmer gegen die Regeln verstoßen, und die Polizei nicht kontrolliert. Die Autos parken halb auf dem Radweg (Kampfparken), die Radler weichen aus Sicherheitsgründen auf den Gehweg aus ("Kampfradler") und Fußgänger weichen mangels Gehwegbreite oder Bequemlichkeit auf den "Radweg" aus ("Kampfflaneure").
"Kampfflaneure" auf Radweg in der Heimfelder Straße
"Kampfflaneure" auf dem "Radweg" Heimfelder Straße |
Diese Politik hat ihre Folgen: Fahren Radler in Hamburg neben "Radwegen" auf Gehwegen, ist die Welt in Ordnung, ist gerade einmal kein "Radweg" zur Hand ist das Gehwegradeln das allergrößte Ärgernis schlechthin. In der Heimfelder Straße gerät dieses ungeschriebene Hamburger Gesetz nun ins wanken, denn in der Straße hat es auf beiden Straßenseiten unterschiedliche Situationen.
Radfahrer und Autofahrer sollen sich auf der Fahrbahn arrangieren
Die Konsequenz für die Radwegliebhaber in der Heimfelder Straße ist sich zukünftig mit dem Fahrbahnradeln vertraut zu machen, auch wenn ihnen das Angst einjagt. Mehr kann die Stadt Hamburg den Radfahrern nicht bieten. Um weiterhin viele, viele Parkplätze zu schützen werden Radwege zurückgebaut, die eigentlich zur Sicherheit der Radfahrer vorgesehen waren. Zur Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs und zur Erhöhung des Radverkehrsanteils auf angepeilte 18% müssen Radfahrer in Hamburg auf die Fahrbahnen. Das ist die Zukunft des Hamburger Radverkehrs. Damit werden also Autofahrer eingeladen ihr Auto stehen zu lassen und auf das Radl umzusteigen, um anschließend auf der Fahrbahn zu fahren und diese anderen Autofahrern streitig zu machen. Schöne Welt? Immerhin sind in der Heimfelder Straße die Placebos beseitigt, keine Alibi-"Radwege", die nicht benutzbar sind und suggerieren, Radfahrer dürften überall auf Gehwegen fahren.
Das Abendblatt zitiert den ADFC-Vorsitzenden Ulrich Syberg mit einem Kommentar zur Einführung der neuen Straßenverkehrs-Ordnung samt modofiziertem Bußgeldkatalog:
"Radfahrer und Autofahrer müssen auf der Straße vernünftig miteinander umgehen und Rücksicht nehmen." So könnten vielleicht auch Fußgänger die Bürgersteige der Heimfelder Straße wieder risikoloser begehen.
Kommende Woche startet die Innenbehörde mit der Hamburger Polizei und in Kooperation mit dem örtlichen ADFC eine Kampagne zum richtigen Überholabstand. Vielleicht hat die Harburger Polizei auch einige Plakate für die Heimfelder Straße übrig, damit die Radwegliebhaber Vertrauen fassen in das geforderte Fahrbahnradeln.
Perspektiven für Hamburgs Radverkehr
Angesichts des Ziels den Radverkehrsanteil in Hamburg zu erhöhen ist der Rückbau von Radwegen schwer verständlich. Gerade deswegen stößt der Radwegrückbau in der Heimfelder Straße auf Widerstand. Von den Verantwortlichen in Poilitik und Verwaltung heißt es immer wieder so: Hamburgs Straßen sind zu eng. Das ist nicht wörtlich zu nehmen, denn enger als anderswo
sind die Straßen keineswegs, es geht nur um den Anspruch, was und wer
im Straßenraum zu Recht kommen soll. In Hamburg geht es zuerst um den
fließenden Autoverkehr, dann um möglichst viele Autoparkplätze, dann die
Straßenbäume, den Fußgängerverkehr, als letztes bleiben die Radfahrer
übrig. In fahrradfreundlichen Städten wie in Kopenhagen kommen vor den
Autoparkplätzen die Radler zum Zug, es gibt dort andere Prioritäten,
aber nicht "enge Straßen" als Ausrede für autogerechte
Straßengestaltung. Es hat dort gute, breite, komfortable Radwege, auf denen sich Radler überholen können, und das auf beiden Straßenseiten, aber ggf. keine Parkplätze.
Parkplätze statt Radwege oder Radwege statt Parkplätze?
Um den Radverkehrsanteil zu erhöhen baut die Fahrradstadt Kopenhagen auch da Radwege, wo es nur durch Abbau von Parkplätzen möglich ist. Somit fühlen sich auch die Radfahrer sicher und eingeladen, die ungern auf der Fahrbahn fahren. Die Reduzierung von Stellplatzmöglichkeiten fördert zudem den Umstieg auf das Zweirad. Schöne Sache, doch für Hamburg immer noch undenkbar. Auch in der Heimfelder Straße. Wäre noch zu klären, ob in der Heimfelder Straße zuerst die Radwege vorhanden waren, und später das Parken auf dem Gehweg und halb auf den Radwegen legalisiert wurde. In der Regel war dies die übliche Reihenfolge in Hamburg, gemehmigt von den Straßenverkehrsbehörden bei der Hamburger Polizei.
Mehr . . . / More . . . :
- Radler in Heimfeld auf Kollisionskurs (Hamburger Abendblatt, 05.04.2013)
- Leserbrief: Sehr überspitzt (Hamburger Abendblatt, 13.04.2013)
"Vielleicht hat die Harburger Polizei auch einige Plakate für die Heimfelder Straße übrig, damit die Radwegliebhaber Vertrauen fassen in das geforderte Fahrbahnradeln."
AntwortenLöschenDie Heimfelder Straße ist mit den Plakaten getäfelt. Gefühlt alle 15m steht jeweils rechts und links so eine Tafel und bei 500 Plakaten, die Stadtweit aufgehangen werden sollen, ist ein gutere Teil dort verbraucht worden.