25. April 2017

Hamburg: Gute Baustellen, schlechte Baustellen

Hamburg: Dealing with cycling at construction sites and by road works


Ungeregelte Baustelle führt zu Regelverstößen - © Stefan Warda


Über problematische Baustellen in Hamburg ließe sich allein ein gesondertes Blog füllen. Noch immer tauchen entgegen dem Ziel der Radverkehrsstrategie von Hamburg von 2008 unbefriedigende oder regelwidrige Baustellenlösungen auf, bei denen nicht an Radfahrer gedacht wird. Ziel der Radverkehrsstrategie war eine "bessere Berücksichtigung des Radverkehrs an Baustellen" und eine "stärkere Kontrolle der Einhaltung von Regelplänen durch die Baufirmen". Zudem sollten bei Fortschreibung der PLAST 9 (Planungshinweise für Anlage von Stadtstraßen) Regelpläne für Baustellen an Radverkehrsanlagen aufgenommen werden. Der letzte Fortschrittsbericht von 2015 stellte keine wesentliche Besserung bei den Radverkehrsführungen an Baustellen fest.
Im Rahmen sogenannter Verkehrsbesprechungen mit Baufi rma, Bauaufsicht und der örtlichen Straßenverkehrsbehörde wird die Baustellenbeschilderung festgelegt und anschließend angeordnet. Die Kontrolle der Einhaltung straßenverkehrsbehördlicher Anordnungen erfolgt im Rahmen der personellen Kapazitäten. Die Kontrolle der Einhaltung straßenbaubehördlicher Anordnungen obliegt dem jeweils zuständigen Straßenbaulastträger, d. h. sie erfolgt je nach Maßnahme und Bezirk regelmäßig durch die Bauaufsicht oder die bezirklichen Wegewarte.
Bezüglich der Umsetzung wurde von den örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Erfahrung gemacht, dass eine verstärkte Sensibilität der Bauunternehmen in Bezug auf die Einhaltung der Verkehrszeichenpläne auch nach der letzten Erhebung nicht zu verzeichnen ist. Eine positive Entwicklung wurde lediglich dahingehend beobachtet, dass die Aufstellung des Zusatzzeichens „Radfahrer absteigen“ von den bauausführenden Firmen seltener vorgeschlagen wird. Der im April 2015 neu gebildete Senat hat sich daher ausdrücklich zum Ziel gesetzt, dass alle Baulastträger die Sicherung und Umleitung des Radverkehrs bei Straßenbaumaßnahmen gewährleisten müssen.

Regelwidrige Baustellen fördern regelwidriges Verkehrsverhalten

Eigentlich sollte es all diese regelwidrigen Konstellationen an Baustellen nicht geben. Doch die Straßenverkehrsbehörden sind so aufgestellt, dass sie den Baustellenleitern oftmals freie Hand beim Aufstellen von jeglichen Verkehrszeichen lassen. Eine Abnahme oder Kontrolle unterbleibt - eine Frage der personellen Ressourcen. Offenbar wird in Hamburg die Sicherheit der Radfahrer (und auch der Fußgänger) als nicht besonders wichtig erachtet, irgendwie hat es bislang ja immer noch funktioniert, die Unfallstatistiken weisen keine besonderen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit ungeregelten Baustellen aus. Und so arrangieren sich Radfahrer (oder Fußgänger) mit den Unannehmlichkeiten an Baustellen, in dem sie in der Regel gegen Verkehrsregeln verstoßen, weil für sie oft kein Platz vorgesehen wurde. Dies ist weiterhin der Normalfall, der sich entsprechend im Ergebnis des Fahrradklima-Tests widerspiegelt. Radfahrer bewerteten bei der letzten Erhebung des Fahrradklima-Tests im Jahr 2014 die Radverkehrsführung an Baustellen mit der Note 5,1. Nur das Wildparken auf Radverkehrsanlagen, die mangelhafte "Breite" der "Radwege", die schlechte Oberflächenbeschaffenheit der "Radwege" und der unzureichende "Winterdienst" auf Radverkehrsanlagen wurden als noch ärgerlicher empfunden. Es wäre ein Wunder, wenn bei der anstehenden Präsentation des Fahrradklima-Tests 2016 das Ergebnis bezüglich der Baustellen wesentlich besser bewertet werden würde.

Die drei "Fortschrittsberichte" zur Radverkehrsstrategie von 2008 hatten über positive Lösungen von Radverkehrsführungen an Baustellen in Hamburg berichtet. Aber diese waren die Ausnahmen gegenüber einer Mehrzahl an unbefriedigenden und regelwidrigen Lösungen, die nicht Erwähnung fanden. Natürlich verdienen die wenigen guten Lösungen es erwähnt zu werden - in der Hoffnung, dass sie sich durchsetzen werden.

Eppendorfer Baum

Im Rahmen des Umbaus des Klosterstern und des Eppendorfer Baums in Eimsbüttel-Harvestehude wurde der Eppendorfer Baum von Hochallee / Isestraße in Richtung Klosterstern zur Einbahnstraße. Da die Geschwindigkeit auf Tempo 30 reduziert wurde, konnte der Radgegenverkehr erlaubt werden. Zusätzlich dürfen Radfahrer den Gehweg zumindest bei Schritttempo entgegen der Einbahnrichtung nutzen. Ein nachahmenswertes Beispiel.


Eppendorfer Baum, Baustelle - © Stefan Warda

Eppendorfer Baum / Hochallee, Baustelle - © Stefan Warda

Eppendorfer Baum / Klosterstern, Baustelle - © Stefan Warda

Eppendorfer Baum / Klosterstern, Baustelle - © Stefan Warda


Millerntordamm / Ströer

Seit mehreren Monaten wird der benutzungspflichtige Radweg am Millerntordamm auf Seite des Alten Elbparks durch eine Dauerbaustelle am Werbeträger der Firma Ströer blockiert. Der Radweg endet ohne jegliche Weiterführung. Radfahrer müssen dort gemäß StVO auf die Fahrbahn ausweichen. Nahezu alle Radfahrer mogeln sich jedoch regelweidrig zwischen Fußgängern auf dem verbliebenen eingeengten Gehweg hindurch. Schlecht ausgeführte Verkehrsführungen führen also zu Regelverstößen.


Millerntordamm / Millerntorplatz, benutzungspflichtiger Radweg: Da der Radweg vor der nächsten kurve wegen einer Baustelle endet und vorher keine Bordsteinabsenkung vorhanden ist, müssen Radfahrer an dieser Stelle auf die Fahrbahn wechseln - © Stefan Warda

Millerntordamm / Alter Elbpark, Baustelle und Wildradler: Spätestens vor der Baustelle müssen Radfahrer auf die Fahrbahn wechseln - © Stefan Warda

Millerntordamm / Holstenwall, Baustelle: Wer nicht indirekt abbiegen will, darf wegen des vor der Baustelle verendenden Radwegs sogar direkt links in den Holstenwall radeln - trotz vermutlch nicht angepasster Räumzeiten - © Stefan Warda


Winterhuder Marktplatz

Der benutzungspflichtige Radweg aus der Barmbeker Straße Richtung Winterhuder Markplatz im Verlauf der Bundesstraße 5 war letzten Monat durch eine Baustelle vor dem Einkaufszentrum unterbrochen. Eine Radverkehrsführung war nicht eingerichtet. Radfahrer waren gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen.


Winterhuder Marktplatz, Baustelle - © Stefan Warda

Winterhuder Marktplatz, Baustelle - © Stefan Warda

Winterhuder Marktplatz, Baustelle - © Stefan Warda

Winterhuder Marktplatz, Baustelle - © Stefan Warda


Gorch-Fock-Wall

Seit letztem Jahr endet der benutzungspflichtige Radweg im Verlauf des Gorch-Fock-Walls in Richtung Stephansplatz an einer Baustelle. Mehrere Monate lang war nur der Gehweg frei, der Radweg endete an dem Baufeld. Da keinerlei Verkehrszeichen angebracht waren, mussten Radfahrer ab der Baustelle auf die Fahrbahn ausweichen. Phasenweise war dies nach Erreichen der Baustelle wegen Absperrungen zur Fahrbahn und Baustellenfahrzeugen gar nicht möglich.
Mittlerweise hat sich die Baustelle wieder verändert. Die gesamte Nebenfläche (Rad- und Gehweg) ist derzeit wieder gesperrt. Es ist eine Überleitung auf den Stehzeugestreifen eingerichtet - jedoch immer noch ohne Verkehrszeichen. Da am Stephansplatz ohnehin Probleme bestehen, vom Radweg aus Richtung Gorch-Fock-Wall geradeaus über die Kreuzung in die Esplanade sicher geführt zu radeln, macht es Sinn, schon ab der Baustelle am Gorch-Fock-Wall ganz legal auf die Fahrbahn zu wechseln.


Gorch-Fock-Wall, Baustelle: Der benutzungspflichtige Radweg endet seit Monaten an der Baustelle. Mehrere Monate lang mussten Radfahrer ab der Baustelle auf die Fahrbahn wechseln - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall, Baustelle: Mangels Radverkehrsführung gab es viele Regelverstöße - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall, Baustelle: derzeitiger Zustand auf benutzungspflichtigem Radweg - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall, Baustelle: derzeitiger Zustand am Radwegende - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall / Stephansplatz: Geradeaus Richtung Esplanade ist es schwierig auf die Fahrbahn zu wechseln. Wer unsicher ist, kann jedoch einmal mehr warten und die Ampel in Richtung Dammtordamm nutzen - © Stefan Warda


Glacischaussee

Weil an Dom-Wochenenden die Glacischaussee als Parkplatz für Dom-Besucher fungiert, gilt für den an das Heiligengeistfeld angrenzenden Gehweg eine Gehwegbenutzungspflicht. Der Radfahrstreifen ist deswegen aber auch während der gesamten Dom-Zeit tabu, obwohl an Werktagen kein Parkplatz auf der Glacischaussee eingerichtet ist. In Gegenrichtung wurde der Gehweg für Radfahrer bei Schritttempo freigegeben. Der Radfahrstreifen in Richtung Norden darf also benutzt werden, wenn kein Parkplatz eingerichtet ist.


Glacischaussee / Feldstraße: Gehwegbenutzungspflicht wegen Dom - © Stefan Warda

Glacischaussee / Feldstraße: Gehwegbenutzungspflicht wegen Dom - © Stefan Warda

Glacischaussee / Feldstraße: Gehwegbenutzungspflicht wegen Dom - © Stefan Warda

Glacischaussee / Heiligengeistfeld: Wegen der Gehwegbenutzungspflicht wegen Dom ist das Befahren der Radspur in richtung Millerntor verboten - © Stefan Warda



Neuer Pferdemarkt / Schanzenstraße

Wegen einer Baustelle ist die Einfahrt vom Neuen Pferdemarkt Richtung Norden in die Schanzenstraße verboten. Das Verkehrszeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) schließt Radfahrer vom Verbot nicht aus. Im Baustellenbereich bleibt die Radspur jedoch frei, wenn sie nicht durch Wildparker belegt ist. Im Anschluss an den für Radfahrer verbotenen Abschnitt wurde eine Radwegbenutzungspflicht ab Schanzenstraße Richtung norden bis zur Ludwigstraße eingerichtet. Eigentlich dürfte nichts gegen die Freigabe für Radfahrer unter dem Verkehrszeichen 250 sprechen.


Neuer Pferdemarkt / Beckstraße, Baustelle - © Stefan Warda

Neuer Pferdemarkt / Beckstraße, Baustelle - © Stefan Warda

Neuer Pferdemarkt /Augustenpassage, Baustelle: Verbot für Fahrzeuge aller Art - © Stefan Warda

Neuer Pferdemarkt / Schanzenstraße, Baustelle: Verbot für Fahrzeuge aller Art - © Stefan Warda

Neuer Pferdemarkt / Schanzenstraße, Baustelle: Beginn der Radwegbenutzungspflicht - © Stefan Warda

Schanzenstraße / Ludwigstraße, Baustelle: Ende der Radwegbenutzungspflicht - © Stefan Warda


Lombardsbrücke

Wegen einer kleineren Baustelle war der Gehweg auf der Lombardsbrücke für Fußgänger vor wenigen Wochen in voller Breite gesperrt. Es gaben massenweise Regelverstöße, denn die Fußgänger wichen nicht, wie gemäß StVO vorgesehen, auf die Fahrbahn aus.


Lombardsbrücke, Binnenalster: Der Gehweg war wegen Baustelle verschwunden. Fußgänger wichen regelwidrig auf den benutzungspflichtigen Radweg aus - © Stefan Warda



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2 Kommentare:

  1. Endlich sagt mal einer was...
    Ich kommuniziere regelmäßig mit den Verkehrsdirektionen, aber die fühlen sich für den Radverkehr nicht zuständig, haben kein Personal, wollen aber auch einfach nicht. So ist es völlig normal, dass Radfahrer dann auch an anderen Stellen nicht auf Verkehrszeichen achten, wenn diese an Baustellen fast grundsätzlich nur falsch oder überhaupt nicht aufgestellt werden.

    Übrigens gilt an Baustellen nicht PLAST oder ERA, sondern die RSA (Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen, Stand 1995).

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  2. langsam werde ich zum Verschörungstheoretiker. es scheint keinerlei Interesse seitens der Behörden zu bestehen, hier korrekte Lösungen anzubieten. Eigentlich müssten doch nur ein paar fachkundige Menschen eingestellt werden, die die Baustelleneinrichtung überprüfen.
    meine "Lieblings"baustellen z.Zt.: Kieler Straße Höhe Paciusweg und Friedensallee kurz vor der Kreuzung Barner Straße.

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