14. Januar 2024

Hamburger Fakewinterdienst: Keine Besserung in Sicht

 Fake snow clearing in Hamburg: No improvement in sight

Aktualisiert am 15.01.2024

Velorouten 1 und 2, Sievekingplatz: Berufsverkehr im Winter 2024 - © Stefan Warda

 

 

Auch im Winter 2023 / 2024 können sich Hamburgerinnen und Hamburger nicht auf einen Winterdienst auf Radverkehrsanlagen verlassen. Strecken, auf denen ein Winterdienst für Radfahrende erfolgen soll, bleiben dennoch unpassierbar. Radfahrende müssen in Hamburg weiterhin bei winterlichen Wetterbedingungen selbst auf breiten Hauptverkehrsstraßen Fahrbahnen befahren, weil sogar benutzungspflichtige Radwege nicht befahrbar sind.

 

Laut Stadtreinigung soll derzeit ein ausgewähltes Radwegenetz von 315 Kilometern Länge behandelt werden. 

"Das 315 Kilometer lange Winterdienstnetz für den Radverkehr bearbeitet die SRH im Einsatzfall zweimal. Dafür nutzt sie – je nach Lage der Radwege – feinkörnigen Kies oder Feuchtsalz, das mit 36 Einsatzfahrzeugen ausgebracht wird."

 

 

Laut Abendblatt [€] habe die Stadtreinigung in dieser Wintersaison alle Streupläne erfüllt.

"Bei allen Volleinsätzen seit Beginn der Wintersaison seien die Streupläne erfüllt worden, sagte ein Sprecher am Mittwoch." 

 

Gorch-Fock-Wall / Wallanlagen im Januar 2024: Radfahrende müssen auf die Fahrbahn ausweichen, weil der Radweg unzureichend geräumt ist - © Stefan Warda

Kennedybrücke im Januar 2024: Radfahrende müssen auf die Fahrbahn ausweichen, weil der Radweg nur sehr eingeschränkt geräumt ist - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall im Januar 2024: Radfahrende müssen auf die Fahrbahn ausweichen, weil der Radweg nicht geräumt ist - © Stefan Warda

 

Doch auch im Winter 2023 / 2024 hat der angekündigte Winterdienst auf Hamburgs Radverkehrsanlagen wie in den Wintern zuvor total versagt. Weder Velorouten noch Radwege an Hauptstraßen wie dem Ring 1 waren benutzbar - trotz "Winterdienst". Zudem werden Nebenstraßen generellel grundsätzlich nicht geräumt oder bestreut. Und ein Großteil der Hausbesitzer vernachlässigt mittlerweile die Räum- und Streupflicht auf Gehwegen. Für Radfahrende in der "Fahrradstadt" Hamburg sind das keine guten Bedingungen. Deutliche Kritik am Fakewinterdienst äußerte der ADFC.

"Der aktuelle Winterdienst auf Hamburgs Straßen mit seiner klaren Priorität für den Autoverkehr ist die beste Anti-Fahrrad-Kampagne, die der Senat bislang auf die Beine gestellt hat. [...] Hamburg hat kein funktionierendes Konzept, um die Wege für Radfahrer und Fußgänger von Laub, Schnee und Eis freizuhalten."

 

 

Detilev-Bremer-Straße: Vereiste Fahrbahn - © Stefan Warda

Detlev-Bremer-Straße / Annenstraße: Vereister Kreuzungsbereich - © Stefan Warda

 

Johann Gerner-Beuerle, Sprecher der Stadtreinigung, dämpfte gegenüber dem Abendblatt [€] die Erwartungen an einen Winterdienst auf Hamburgs Radwegen.

"Das tatsächliche, wie auch das optische Streuergebnis unterscheidet sich sehr deutlich von dem Streuergebnis auf Fahrbahnen."

 

Also "geräumt", aber dennoch nicht benutzbar?

 

Hamburger Wegegesetz und Winterdienst

Nach dem Hamburger Wegegesetz gibt es keinen geregelten Winterdienst für Radverkehrsanlagen. Lediglich das Verbot, Schnee auf Radwegen zu lagern, ist im Wegegesetz enthalten. Ein mangelnder Winterdienst steht jedoch im Widerspruch zu einer angeordneten Radwegebenutzungspflicht, vor allem bei stark frequentierten Radwegen.

Allererste Winterdienstversuche gab es schon entlang der Veloroute 3 - mit unterschiedlich befriedigenden Ergebnissen. Seit Etablierung des Fahrradforums bei der Verkehrsbehörde gab es Überlegungen einen großräumigen Winterdienst für den Radverkehr in Hamburg einzurichten. Der erste größere Winterdienstversuch auf Hamburgs Radverkehrsanlagen wurde im Winter 2010 / 2011 durchgeführt - bislang mit wenig Erfolg. Die Probleme:

  • In Hamburg darf kein Salz auf Radwegen oder gemeinsamen Geh- und Radwegen zum Einsatz kommen. Bislang wird Granulat oder Blähton gestreut. Zum Teil wurden bislang Räumfahrzeuge mit Rollenbürsten und Granulatstreuern eingesetzt; es kamen jedoch auch Räumfahrzeuge mit Räumschildern zum Einsatz.
  • Auch wenn es nach dem Wegegesetz verboten ist, wird gerne von Anliegern der von Gehwegen abgeräumte Schnee auf angrenzenden Radwegen gelagert. Selbst die Stadtreinigung bzw. die im Auftrag der Stadtreinigung tätigen Winterdienste räumen Schnee vom Gehweg auf Radwege (beispielsweise regelmäßig am Gorch-Fock-Wall).
  • Die beiden vorgenannten Kriterien führen dazu, dass sich Eis- und Schneereste in Hamburg am längsten auf Radwegen halten. Während Fahrbahnen und Gehwege nach einer Schneeperiode frei sind, bleiben Radwege - auch benutzungspflichtige - in der Regel noch tagelang vereist oder sonstwie unbenutzbar.
  • Vor allem Hamburgs ältere Radwege sind nicht für einen maschinellen Winterdienst geeignet. Zudem erfordert der Winterdienst auf baulich angelegten Radwegen enorme Ortskenntnisse, da unter einer geschlossenen Schneedecke der Verlauf der Radwege nicht erkennbar ist. In sehr vielen Fällen wurden in den vergangenen Jahren daher nicht die Radwege vom Winterdienst getroffen, sondern Gehwegflächen, die von Radfahrern nicht benutzt werden dürfen.
  • In Tempo-30-Zonen gibt es grundsätzlich keinen Winterdienst, auch wenn Veloroutenabschnitte im Verlauf von Tempo-30-Zonen zum versprochenen Winterdienstprogramm zählen. Dies betraf z.B. Abschnitte der Velorouten 1 (Thadenstraße), 2 (Weidenstieg) und 3 (Hartungstraße, Rutschbahn).
  • Radfahrstreifen neben Stehzeugen werden lange nicht vom Winterdienst berücksichtigt, auch wenn diese zum angekündigten Winterdienstprogramm für den Radverkehr zählen. Dies wurde aus Sorge um die Stehzeuge von der Stadtreinigung abgelehnt - z.B. in der Hochallee. In dieser Wintersaison fielen die Radspuren Beim Schlump negativ auf, die unbehandelt blieben.
  • In Kreuzungsbereichen wurde im Verlauf der Radfurten selten geräumt oder der Schnee aus dem Fahrbahnbereich auf Radfurten geschoben.
  • Manche Radwege an Hauptverkehrsstraßen sind unterbrochen, wenn es Nebenfahrbahnen zum Zwecke von Stehzeugflächen gibt. Im Bereich der Nebenfahrbahnen, auf die Radfahrende geleitet werden, bleiben allerdings ungeräumt, auch wenn eine Räumung im Geoportal angezeigt wird.
  • In manchen Straßenabschnitten des ausgewiesenen Winterdienstprogramms werden Radverkehrsanlagen nicht vom Winterdienst berücksichtigt, sondern lediglich die Fahrbahnen. Dies betrifft z.B. die Veringstraße oder die Schanzenstraße. Dort gibt es den Winterdienst mit Salzlauge nicht nur auf den für den Radverkehr angegeben Teilstücken, sondern auch auf den anderen Abschnitten - z.B. wegen des Buslinenverkehrs.
  • Zweirichtungsradwege, wie z.B. entlang Kennedybrücke oder An der Alster im Verlauf der geplanten Velorouten 5 und 6, wurden bislang regelmäßig in nicht ausreichender Breite geräumt. Der gegenläufige Radverkehr ist dort dadurch meist nicht möglich und führt zu Fehlverhalten (regelwidriges Gehwegradeln).
  • Auf manchen Radverkehrsanlagen verbleibt das im Winter ausgebrachte Granulat noch Monate.
  • Unzureichend erkennbare Radwege entwickeln sich zu Eldorados für Fußgängerinnen, Fußgänger, Joggerinnen und Jogger. 
  • Nicht einmal alle innerstädtischen Velorouten werden vom "Winterdienst" berücksichtigt. Beispielsweise werden die Velorouten 11 und 12 zwischen Rathaus und Landungsbrücken im Bereich zwischen Schaartor und Johannisbollwerk nicht versorgt. Radfahrende müssen sich anderen Wege suchen.

 

Fazit: Die bislang versprochenen Winterdienste für den Radverkehr in Hamburg waren vor allem Propaganda sowie unerfüllte Absichtserklärungen für vermeintliche "Erfolgs-Berichte" und Statistiken, jedoch keine real durchgeführten Maßnahmen als echte Winterdienste. Es gibt weiterhin keinen real funktionierenden Winterdienst für Hamburgs Radverkehr.

 

"Winterdienst" auf Radwegen - ohne Salz

Veloroute 4 / Freizeitroute 1, Alsterufer: Vereister Zweirichtungsradweg (9.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 4 / Freizeitroute 1, Alsterufer: Vereister Zweirichtungsradweg (7.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 4 / Freizeitroute 1, Alsterufer: Ungeräumter Zweirichtungsradweg beim ehemaligen US-Konsulat (9.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 3, Theodor-Heuss-Platz: Ungeräumter Radweg (12.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 3, Borgenstraße / Beim Schlump: Ungeräumter Zweirichtungsradweg (12.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 3, Borgenstraße / Beim Schlump: Ungeräumter Zweirichtungsradweg (12.1.24) - © Stefan Warda

Veloroute 3, Borgenstraße / Beim Schlump: Ungeräumter Zweirichtungsradweg (12.1.24) - © Stefan Warda

Edmund-Siemers-Allee / Uni: Unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Radweg (12.1.24) - © Stefan Warda

Edmund-Siemers-Allee / Moorweidenstraße: Unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Radweg (12.1.24) - © Stefan Warda

 

 

Verbotene Schneelagerung auf Radwegen

Venusberg: Illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee (7.12.23) - © Stefan Warda

Venusberg: Illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee (7.12.23) - © Stefan Warda

Venusberg: Illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee (7.12.23) - © Stefan Warda

Esplanade / Neuer Jungfernstieg: Trotz "Winterdienst" illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee (7.1.24) - © Stefan Warda

Esplanade / Neuer Jungfernstieg: Trotz "Winterdienst" illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee (11.1.24) - © Stefan Warda

Esplanade / Neuer Jungfernstieg: Trotz "Winterdienst" illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee - wird schließlich jedes Jahr so gemacht . . .  (18.1.18) - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall: Trotz "Winterdienst" illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee - hat Tradition (6.1.24) - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall: Trotz "Winterdienst" illegal auf dem Radweg entsorgter Schnee - hat Tradition (6.1.24) - © Stefan Warda

 

Schnee- / Eisreste auf Radwegen

Gorch-Fock-Wall: Trotz "Winterdienst" nicht geräumter benutzungspflichtiger Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall: Trotz "Winterdienst" nicht geräumter benutzungspflichtiger Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Gorch-Fock-Wall: Trotz "Winterdienst" unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Elberadweg, Vorsetzen 35: Trotz "Winterdienst" unzureichend geräumter Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Elberadweg, Vorsetzen 35: Trotz "Winterdienst" unzureichend geräumter Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Elberadweg, Vorsetzen 35: Trotz "Winterdienst" unzureichend geräumter Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

Budapester Straße / Simon-von-Utrecht-Straße: Trotz "Winterdienst" ungeräumter benutzungspflichtiger Radweg, Gehweg und Fahrbahn jedoch uneingeschränkt nutzbar - © Stefan Warda

 

 

Hochbordradwege: Oft erfolgt "Winterdienst" neben statt auf Radwegen - Hauptsache der Streuplan wird irgendwie und irgendwo erfüllt . . .

Budapester Straße / Simon-von-Utrecht-Straße: Trotz "Winterdienst" ungeräumter benutzungspflichtiger Radweg, wird regelmäßig ausgelassen - © Stefan Warda


Ungenügend geräumte Zweirichtungsradwege

Zukünftige Velorouten 5 und 6, Schwanenwik: Deutlich unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg (7.1.24) - © Stefan Warda

Zukünftige Velorouten 5 und 6, Schwanenwik: Radwegnettobreite ca 90 Centimeter, deutlich unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg (7.12.23) - © Stefan Warda


Kennedybrücke: Deutlich unzureichend geräumter benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg, dadurch "Kampfradler" auf dem angrenzenden Gehweg - © Stefan Warda

 

Eldorados für Fußgängerinnen und Fußgänger

Veloroute 4 / Freizeitroute 1, Alsterufer: Gehende auf dem kaum erkennbaren, dennoch benutzungspflichtigen Zweirichtungsradweg (7.1.24) - © Stefan Warda

Kennedybrücke / Alsterufer: Gehende auf dem kaum erkennbaren, dennoch benutzungspflichtigen Zweirichtungsradweg - © Stefan Warda

 

Planmäßig ungeräumte Velorouten

Velorouten 11 und 12, Schaarmarkt: Planmäßig kein Winterdienst trotz wichtiger Alltagsverbindung zwischen Rathaus und Landungsbrücken (7.12.23) - © Stefan Warda

Velorouten 11 und 12, Schaarmarkt: Planmäßig kein Winterdienst trotz wichtiger Alltagsverbindung zwischen Rathaus und Landungsbrücken (7.12.23) - © Stefan Warda


 

Mehr . . . / More . . . :

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1 Kommentar:

  1. Der auf den Bildern wiedergegebene Zustand entspricht der Wirklichkeit, teilweise auch noch 3 Tage nach dem Schneefall. Zwischen Plan, Anspruchsdenken und Wirklichkeit klafft eine Riesenlücke. Was hätte man in der Grundschule gesagt: 6 Setzen!

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