6. Februar 2015

CDU gegen Radfahrstreifen in der Grindelallee - Abschied von der Radverkehrsstrategie

CDU and boulevard press against cycle lanes along Grindelallee in favour of old fake cycle tracks
Aktualisiert
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Grindelallee: Hier sollen Radfahrstreifen entstehen. Bislang gibt es rechts von den Stehzeugen einen sehr schmalen Fakeradweg - mittlerweile überwiegend ohne Fakeradwegbenutzungspflicht

CDU gegen Hamburgs Radfahrer

Die CDU hat den Radfahrern den Kampf angesagt. Vor der Bürgerschaftswahl hat sie sich gegen alle Radverkehrsprojekte des Senats oder der rot-regierten Bezirke gestemmt. Die CDU ist gegen die Fahrradstraße am Harvestehuder Weg und gegen weitere Fahrradstraßen rund um die Außenalster. Lieber sollen bestehende Fakeradwege ausgebessert werden - wie auch immer das funktionieren soll. Die CDU ist gegen Schutzstreifen als Ersatz für unbenutzbare Fakeradwege in der Papenhuder Straße. Eine Lösung für die Verbesserung der dortigen Situation hat die CDU aber nicht geboten.

Die CDU ist gegen Radfahrstreifen in der Sierichstraße. Eine Alternative für die überwiegend unbenutzbaren, durch Kampfparker blockierten "Radwege" bietet die CDU aber nicht. Vermutlich soll aus Sicht der CDU die Sierichstraße exklusiv dem Autoverkehr vorbehalten bleiben, obwohl das Radfahren dort weder verboten ist, noch eine Gehweg- oder Radwegbenutzungspflicht vorliegt.

2011 war Herr Ploß (CDU) noch für Radfahrstreifen in der Sierichstraße

Besonders pikant ist der Aufschrei des Herrn Ploß gegen die erwogenen Radfahrstreifen, weil er sich selbst in der Regionalausschußsitzung vom 22.08.2011 für ein Verkehrskonzept mit Radfahrstreifen in der Sierichstraße stark machte. Warum nun die totale Kehrtwendung? Alles nur Show wegen der bevorstehenden Wahl auf dem Rücken der Radfahrer?

Die CDU unterstützt am Wiesendamm die Einrichtung einer Pseudo-"Fahrradstraße", die sich eigentlich als Parkplatz für bislang illegale Stehzeuge entpuppt, und den Erhalt von illegalem Parkraum, um damit Radfahrstreifen als Ersatz für unbenutzbare Fakeradwege zu verhindern. CDU-Sprecher Christoph Ploß sieht in Fahrradstaßen eine "Schikanierung der Autofahrer" und wirft dem Senat "ideologische Verkehrspoltik" vor.

Unfassbar. Das geht überhaupt nicht. (Michael Westenberger zu Radfahrstreifen in der Grindelallee)

Fakeradwege in der Grindelallee

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Grindelallee - Fakeradweg

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Grindelallee: Überholen langsamer Radler nicht möglich, fortwährend Konflikte mit Fußgängern

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Grindelallee: Häufig Kampfparker auf dem Radweg, regelmäßig auch Mülltonnen oder Werbebanner einzelner Geschäfte

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Grindelallee: Radler sollen durch illegal aufgestellte Werbebanner hindurchhuschen

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Grindelallee: Bislang kein Platz für geparkte Fahrräder, aber viel Platz für geparkte Autos


Nun wettert Michael Westenberger (CDU) gegen die geplanten Radfahrstreifen in der Grindelallee, die die winzigen Fakeradwege ersetzen sollen, auf denen es regelmäßig Konflikte mit Fußgängern, Mülltonnen und Autofahrern gibt. Letztere queren häufig gedankenlos den Mini-Radweg zu den angrenzenden Parkplätzen. Als wenn es bislang keine Radfahrstreifen entlang von Hauptstraßen in Hamburg gäbe: Hat Herr Westenberger sich die St. Pauli Landungsbrücken, die Fuhlsbütteler Straße noch nicht angeschaut oder den westlichen Ast der Grindelallee zwischen Stabi und Grindelhof, wo es Radfahrstreifen hat?


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Dieser Radstreifen soll bis Hallerstraße verlängert werden als Ersatz für den bisherigen schmalen Fakeradweg im Konfliktfeld mit dem Fußgängerverkehr


Das Boulevardblatt, das sich für einen reißerischen Artikel ("Verkehrs-Schwachsinn", "Unfug") hergibt, bildet dazu zwei Radler ab, von denen jedoch einer als Kampfradler auf dem Gehweg radelt. Dort seien sie "geschützt". Und die Fußgänger?


Fakeradwege in der Sierichstraße

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Sierichstraße: Gefährlicher Fakeradweg in Dooringzone (VZ315)  mit zusätzlichen Kampfparkern

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Sierichstraße mit gefährlichem Fakeradweg und Kampfparkern

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Fakeradweg in der Sierichstraße in der Dooringzone (VZ315)

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Zweirichtungs-Fakeradweg in der Sierichstraße in der Dooringzone (VZ315)

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Zweirichtungs-Fakeradweg in der Sierichstraße in der Dooringzone (VZ315). Gegenverkehr und Sicherheitsabstand zu den Autotüren ist unmöglich. Laut Andreas Wankum (CDU) soll dies ein funktionierender Radweg sein, der nicht aus ideologischen Gründen kaputt gemacht werden dürfe

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Zweirichtungs-Fakeradweg in der Sierichstraße (VZ315). Welche Alternative hat die CDU für diesen gefährlichen Fakeradweg?

CDU stellt sich gegen die eigene Radverkehrsstrategie

Merkwürdig am Gebaren der CDU-Politiker ist allerdings die Zustimmung der CDU zur Radverkehrsstrategie für Hamburg, die den Ausbau der Velorouten vorsieht, wie auch den Ersatz schlechter "Radwege" durch regelkonforme Radfahrstreifen. Der CDU-Sprecher Klaus-Peter Hesse, der heute im Zusammenhang von Radverkehrsprojekten im Sinne der "Radverkehrsstrategie für Hamburg von "Autoverachtung" spricht, war 2008 im Fahrradforum bei der Baubehörde an der Ausarbeitung der Radverkehrsstrategie beteiligt und hatte sogar in der Bürgerschaft per Antrag die Initiative für das Fahrradforum ergriffen. Heute stellen er und seine Mannen sich komplett gegen jegliche Radverkehrsprojekte, stempeln sie als "Verkehrsschikanen" dar.

Es muss gewährleistet werden, dass nicht schon wieder aus rein ideologischen Gründen eine funktionierende Straße mit Steuermitteln kaputt gemacht wird. (Andreas Wankum zur Radfahstreifenplanung in der Sierichstraße)

Wer die Kritiken der CDU-Riege aneinanderreiht, kommt zum Schluß, dass die ehemals von der CDU geförderte Radverkehrsstrategie für Hamburg umgedeutet werden soll. Radverkehrsstrategie aus CDU-Perspektive kann aufgrund der Kritiken nur bedeuten, die Oberfläche bestehender zu schmaler Fakeradwege im Dooringbereich auszutauschen oder den Radverkehr fernab von zahlreichen Hauptstraßen, die dem Autoverkehr vorbehalten bleiben sollen, umzuleiten. Damit werden aber keine regelkonformen Radverkehrsanlagen geschaffen, Radfahren wird dadurch nicht gerade attraktiver oder sicherer, und der Radverkehr wird wieder auf den Status der 1980er Jahre zurückgeworfen. Hesse wirft dem jetzigen Senat "Autoverachtung" vor, aber Hesses Verkehrspolitik für Autofahrer ist menschenverachtend. Zudem macht sich die CDU bei Radfahrern und den Hamburgern vollkommen unglaubwürdig: Die Radverkehrsstrategie wurde 2007 unter einem CDU-Verkehrssenator entwickelt, 2007 mit den Stimmen der CDU-Abgeordneten in der Bürgerschaft beschlossen und 2008 vom CDU-Verkehrssenator Axel Gedaschko der Öffentlichkeit vorgestellt. 2015 hat sich die CDU von ihrer eigenen Radverkehrsstrategie vollkommen verabschiedet.

Zur Geschichte

Unter Bausenator Eugen Wagner (SPD) wurde 1996 der erste Radfahrstreifen in der Grindelallee zwischen Stabi und Grindelhof eingerichtet. Die im rot-grün-regierten Bezirk geforderte Verlängerung bis Rutschbahn wurde 2004 unter Bausenator Mario Mettbach ("Schill-Partei") gekippt. 2014 wurde der begonnene Radfahstreifen ab Grindelhof um wenige Hauslängen verlängert, sowie um ein kurzes Stück kurz vor der Hallerstraße ergänzt. In diesem Jahr soll der Lückenschluß zwischen den bestehenden Abschnitten erfolgen, sowie stadteinwärts zwischen Schlump (Bogenstraße) und Bundesstraße die noch vorhandenen schmalen Fakeradwege ersetzen. Radfahstreifen an breiten Hauptverkehrsstraßen hat es in Hamburg unter anderem vor den St. Pauli Landungsbrücken oder auch an Bushaltestellen entlang der Bramfelder Chaussee. Für die Umsetzung von Radfahstreifen in der Grindelallee wird es demnächst neunzehn Jahre gebraucht haben - ein langer Atem für Radler und Fußgänger, sowie viel Zeit für die Erkenntnisbildung bei Politikern.


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