17. Januar 2014

"Sie müssen sich nicht nach den blauen Schildern richten"

Road Works in Hamburg: Yesterday at Neubergerweg


© Joachim Holstein
Wer kennt das nicht: In einer verkehrsarmen Straße taucht eine Baustelle auf dem Radweg auf und plötzlich ist es wieder da, das blaue Schild. Wird es für Fußgänger auf dem Gehweg im Baustellenbereich besonders eng, sollen auch Radfahrer noch ihre "Freude" daran haben. Durften Radfahrer vor der Radwegbaustelle noch auf der Fahrbahn radeln, sollen sie sich im Bautellenbereich in Geduld mit den Fußgängern auf dem schmalen Gehweg üben (Foto: Joachim Holstein)


Von Joachim Holstein
Der Neubergerweg verbindet die Langenhorner Chaussee und die Tangstedter Landstraße südlich des Geländes vom Krankenhaus Ochsenzoll. Auf beiden Seiten verläuft jeweils ein nicht benutzungspflichtiger Radweg, der auf der Nordseite kurz vor der Einmündung in die Langenhorner Chaussee in einem so schlechten Zustand ist, dass ihn nur die üblichen Masochisten befahren. Dort wurde vor einigen Monaten das Doppelhaus 33/35 abgerissen, wodurch der Radweg derart ruiniert wurde, dass er jetzt mit roten Betonplättchen neu gemacht wird.


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Neubergerweg / Weygandtstraße: Wahlfreiheit zwischen Fahrbahn und Radweg (Foto: Joachim Holstein)

Es wurde also eine 40 Meter lange Baustelle eingerichtet, um den Radweg neu anzulegen. Rechts daneben verblieb ein etwa 80 cm breiter Durchgang. Der erfahrene Radfahrer ahnt, was jetzt kommt: am östlichen Ende der Baustelle wurde das Schild 240 aufgestellt: gemeinsamer Fuß- und Radweg. Okay, das kennt man – eben noch fuhr man legal auf der Fahrbahn, weil man den rechts vorhandenen Radweg mangels Beschilderung nicht benutzen muss, und genau dort, wo eine Baufirma den Radweg weggehobelt hat, soll man die Fahrbahn verlassen und sich über die Bordsteinkante beamen, um auf dem Gehweg, dessen Luftraum man ja sonst nicht einmal mit der Lenkerspitze touchieren darf, weiterzufahren, natürlich im Schritttempo, weil die Fußgänger Vorrang haben und man bei 80 cm eh nicht vorbeikommt.


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Neubergerweg 39: Eine Baustelle naht (Foto: Joachim Holstein)

Aber was macht man bei entgegenkommenden Fußgängern und Radfahrern? Ähem – Radfahrer? Die werden doch nicht? Doch! Man hat auch am Westende der Baustelle ein Schild aufgestellt, und zwar die Nummer 241! Man soll also, wenn man von der Langenhorner Chaussee kommt und legal auf der Fahrbahn oder dem rechts hinter einem Grünstreifen gelegenen nicht benutzungspflichtigen Radweg fährt, bei Anblick dieses Schildes den Radweg oder die Fahrbahn verlassen, auf die linke Seite wechseln und dort die 80 cm breite Piste neben der Baustellenabsperrung als getrennten Fuß- und Radweg begreifen. Um die Aufmerksamkeit zu schärfen, hat man dort auch noch das Zeichen 138 aufgestellt: Achtung Radverkehr. Klar, es könnte ja ein rechts fahrender Radler entgegenkommen, und während man versucht, auf 80 cm aneinander vorbeizukommen (fahrend? schiebend?), hat man bestimmt Gelegenheit, sich darüber auszutauschen, welches Recht denn nun gilt, wenn der eine gemäß Zeichen 241 und der andere gemäß Zeichen 240 dasselbe Stück Piste befahren möchte.


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Neubergerweg: Aussicht auf die enge Führung im Baustellenbereich (Foto: Joachim Holstein)


Zufälligerweise machten die Bauarbeiter gerade Fofftein (für Nicht-Hamburger: 15 Minuten Pause), also hatten sie Zeit für die Erklärung, warum die Schilder da nicht hingehören. Mit einem »Dann klappen wir das um« endete das nette Gespräch – in der Annahme, sie wollten die Schilder samt Mast auf den Rasen umklappen. Aber nein: Beim nächsten Gassigehen hing das 241-er Schild um 180 Grad gedreht, und nun dämmerte es einem, was damit gemeint war: Nein, eigentlich sollte niemand aus Richtung Westen von der Fahrbahn auf den linksseitigen Gehweg wechseln, sondern die Radfahrer aus Richtung Osten sollten neben der Baustelle den Fußgängern den Vorrang geben und danach wieder einen Radweg für sich haben. Gut und schön – wenn eben nur diese blauen Lollis keine Benutzungspflicht demonstrieren würden und jeder Autofahrer sich im Recht wähnt, wenn er einen Radler von der Fahrbahn hupt.


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Neubergerweg 37-35: Sollten Radfahrer vielleicht auch noch einen Helm tragen unter der Baggerschaufel? (Foto: Joachim Holstein)

Also ruft der aufmerksame Bürger das Revier an und bittet darum, die Schilder entfernen zu lassen.


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Neubergerweg 33-31: Weil es schon eng war im Baustellenbereich sollen Radfahrer auch noch hinter der Bautelle weiter auf dem Radweg Richtung Langenhorner Chaussee radeln, solange die Bauarbeiten noch andauern (Foto: Joachim Holstein)

Und dann kommt sie, die große Überraschung: Eine Polizeistreife kommt zuhause vorbei und erkundigt sich nach dem Sachverhalt. Nach kurzer Erläuterung durch den Anwohner dann die noch größere Überraschung: Die Polizei ist keineswegs der Ansicht, dass ein solcher Weg mit blauen Lollis benutzt werden muss. O-Ton: »Da müssen Sie nicht fahren, denn da fehlen ja die baulichen Voraussetzungen.« Man erholt sich von der Verblüffung, freut sich über die Kompetenz der beiden Beamten und fügt hinzu: »Das weiß ich, das wissen Sie, aber das wissen nicht die Autofahrer, denn wenn die blau sehen, dann hupen die, wenn ich auf der Straße fahre«, und dann bekräftigt die Streife: »Ja, aber Sie müssen sich nicht nach den blauen Schildern richten, denn die Abmessungen des Weges sind ja zu klein.«


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Neubergerweg 31 (Foto: Joachim Holstein)

Möge diese Einsicht sich durchsetzen und dazu führen, dass man erstens beim Ignorieren von fehlerhaft angebrachten blauen Lollis nicht mehr sanktioniert wird und dass zweitens solche Lollis verschwinden. Auch hier waren die beiden hilfreich, nachdem sie auf die Beschilderung an der Langenhorner Chaussee angesprochen wurden: »Schreiben Sie das der Behörde, das geht auch online.«


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Neubergerweg 29-31: »Dann klappen wir das um« - Das umgeklappte Schild (Foto: Joachim Holstein)


Zur widerrechtlichen Anordnung der Benutzungspflicht im Baustellenbereich siehe auch Fehler Nr. 2 im Baustellenfortschrittsbericht


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1 Kommentar:

  1. „Man erholt sich von der Verblüffung“
    In der Tat.
    Is ja toll!

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