Aktualisiert um 20:08
Heute eine Geschichte aus dem ländlichen Raum: Fernab des Großstadtverkehrs, ohne Gedanken an Radeln auf der Fahrbahn im Stop-and-Go-Rythmus von roter Ampel zu roter Ampel, an Fakeradwege neben Stehzeugen, an Gehupe, Gedrängel und ständige Aufmerksamkeit, sollte es sich auf ehemaligen Bahntrassen entspannt radeln lassen. Wer denkt da nicht an komfortable, asphaltierte Radwege, die sich sanft Flusstäler entlangschmiegen, weite Ausblicke über Bergkuppen und Vogelgeschwitzer? Radeln mitten in der Großstadt, aber dennoch fernab vom Autoverkehr bietet die Nordbahntrasse in Wuppertal. Auf der Trasse stören keine roten Ampeln, kein Auto drängelt sich ohne ausreichenden Abstand vorbei, kein Auto parkt dreist auf der Trasse und niemand reisst beim Vorbeiradeln die Tür auf. Radler, Fußgänger und Skater sind unter sich. Die Kilometer vergehen wie im Fluge. Die Wuppertaler sind beneidenswert um die Nordbahntrasse.
Weitaus entspannter geht es auf dem Sauerland-Radring zu. Die Werbung verspricht 83 Kilometer Fahrvergnügen für Familien und Genussbiker. Im Gegensatz zur Wuppertaler Nordbahntrasse dominieren auf den Abschnitten einer ehemaligen Bahnlinie Radsportler und andere Freizeitradler. Die Trasse verknüpft kleinere Orte und Städte im Verlauf von Bach- und Flusstälern. Über kleine Missgeschicke bei der Trassenplanung wird gern hinweggesehen, radelt es sich ja draußen in der Natur, überwiegend ohne störende Autogeräusche. Dass in manchen Orten die Bahnbrücken über querende Straßen abgebaut wurde, ist vielleicht ärgerlich. Der Gedanke an hohe Kosten für einen Wiederaufbau der fehlenden Brücken für einen niveaugleichen Trassenverlauf lässt einen so manch steile Passage wieder nahezu mühelos erklimmen. Weniger verständlich sind dann aber die Vorfahrtsregelungen im Verlauf der Trasse. In Eslohe hatte der Radverkehr im Verlauf der Bahntrasse Vorrang vor einigen querenden Wegen. Überwiegend aber sollten Radler anhalten und wieder neu Fahrt aufnehmen, wenn ein schmaler Weg gequert wurde. Angesichts der steten Steigung im Verlauf der Trasse war das ärgerlich, das Radelvergnügen wurde beeinträchtigt. Denn werden selbst im städtischen Verkehr nicht straßenbegleitende Radwege gegenüber querenden Straßen bevorrechtigt, dürfte es doch angesichts des wesentlich geringeren Verkehrsaufkommens an den Waldwegen überhaupt kein Problem sein, die Vorfahrtverhältnisse umzudrehen.
Eslohe, Marpebachtal: Vorfahrt im Verlauf der Bahntrasse |
Eslohe, Marpebachtal: Vorfahrt im Verlauf der Bahntrasse |
Beispiel Houten (NL): Vorfahrt auf dem nicht straßenbegleitenden Radweg |
Aber nun gut, denn solange die Bahntrasse abseits der Talstraßen führte, entschädigten Ruhe oder so manche Abwechslung, wie ein längerer Tunnel, ein Güterwagen, eine Kleinlokomotive und zahlreiche Eisenbahnsignale als Reminiszenz an die frühere Nutzung, als Bahnfahren auch im ländlichen Raum noch selbstverständlich war.
Mit Rücksicht auf Fledermäuse ist der Tunnel im Winter gesperrt |
"83 Kilometer Fahrvergnügen für Familen und Genussbiker"
Irgendwann war die Ausbaustrecke des Sauerland-Radrings auf ehemaligen Bahntrassen beendet, weil eine Bundesstraße auf die ehemalige Bahntrasse verlegt worden war. Runter von der Trasse, rauf auf die Straße, nein auf "Radwege". Tief im Sauerland, in Schmallenberg, gab es entlang der Bundesstraße benutzungspflichtige Miniradwege. Nun ja, den Anforderungen für eine Radwegbenutzungspflicht werden diese Radpfade nicht gerecht. Interessant war die Tatsache, dass die Einheimischen diese besonderen Teile der Straße, die angeblich der besonderen Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer dienen soll, für ihre Stehzeuge je nach Belieben missbrauchten. Kampfparken auf den Radwegen an der Bundesstraße war in Schmallenberg ganz selbstverständlich. Schließlich fahren nahezu alle Einheimischen Auto, die müssen ja irgendwo abgestellt werden. Nur die auswärtigen Touristen fahren Rad, und kommen so schnell nicht wieder.
Radlpfadbenutzungspflicht und Kampfparker
Schmallenberg, Hauptstraße: Radpfadbenutzungspflicht |
Auch für Fußgänger nur wenig Platz durch den überflüssigen Radlpfad |
Gibt es in Schmallenberg keine Knöllchenschreiber? Es wartet jede Menge Arbeit . . . |
Fragwürdiges Fahrvergnügen auf Horrorradwegen
Am Ortsausgang von Schmallenberg hörte der Spuk mit den überflüssigen "Radwegen" auf. Bei Tempo 100 ging es weiter auf der Bundesstraße zurück zum Ausgangspunkt. Flussabwärts bei leichtem Gefälle radelte es sich recht bequem und flott, wenn auch vereinzelte Autofahrer mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit sowie große Lastzüge verbeidonnerten. Nach einigen Kilometern zügigen Radelns begann im nächsten Ort wieder das Trennungsprinzip. Zunächst sollte im Zweirichtungsverkehr der linke Gehweg benutzt werden, später wieder auf den Gehweg der rechten Straßenseite gewechselt werden, anschließend begann ein sehr kurioser Radweg. Diese besondere Art der Radverkehrsführung in Lennestadt verschlägt einem wirklich die Sprache. Der nur maximal 1,6 Meter breite Radweg, der wegen Verlandungen abschnittsweise bis auf nur 1,2 Meter Breite eingeengt ist, soll im Zweirichtungsverkehr benutzt werden. Na gut, nichts neues. Auch in Hamburg musste bis vor wenigen Jahren noch der schmale Radweg entlang der Hummelsbüttler Hauptstraße im Gegenverkehr beradelt werden.Lennestadt: Straßenseitenwechsel bei Gehwegbenutzungspflicht |
Nach der nächsten Biegung dann die nächste Überraschung: An der nächsten Bushaltestelle führt der Radweg über die Busbucht. Welches Planungshandbuch haben die Lennestädter oder Verantwortlichen des Kreises Olpe studiert? Was geschieht eigentlich, wenn Radler im Linksverkehr auf eine Busbucht zufahren, und ein Bus kommt entgegen und steuert auf die Busbucht zu? Wer hat Vorrang? Und was machen Radler, die auf eine Busbucht zuradeln, die durch einen Bus blockiert ist? Im weiteren Verlauf wiederbolte sich das Muster an jeder weiteren Haltestelle. Zwischen Radweg und Fahrbahn hatten die Lennestädter sehr schmale Buchten angelegt, auf denen maximal Motorräder oder Roller parken könnten. Von diesem Angebot machten allerdings nicht Zweiradfahrer, sondern Vierradfahrer Gebrauch. Doch diesie parkten nicht in der Bucht und halb auf der rechten Fahrbahn - da würde ja der Verkehr (Autoverkehr) behindert, nein, Autofahrer behindern lieber den Radverkehr auf dem Radweg, der nicht einmal ausreichend breit für den gegenläufigen Verkehr ist.
Die nächste Herausforderung wäre es den Sauerland-Radring in entgegengesetzter Richtung abzuradeln, also gegen den Uhrzeigersinn. Dabei bietet sich Gelegenheit auf dem linken Radweg den Buskonfliktfall zu erproben sowie den Konfliktfall mit entgegenkommenden Radlern, oder alternativ - aufgrund der Kampfparker auf dem benutzungspflichtigem Radweg - das Fahrbahnradeln und dabei die Geduld der einheimischen Autolenker und Lkw-Fahrer zu testen. Wer keine Ahnung von Radverkehr hat, der fordert angesichts solcher Horrorradwege selbstverständlich das Helmtragen. Aber warum bitte sollen wir uns mit solchen Fakeradwegen zufrieden geben?
Unterdimensionierter Zweirichtungsradweg
Wenn sich Radler hier begegnen, kann es ziemlich eng und gefährlich werden für den Radler am Rande des Kantsteins . . . |
Kampfparken
Kampfflaneure - Klingeln erforderlich
Der benutzungspflichtige Radweg scheint gar nicht zu existieren |
Fehlende Wegebeziehungen
Interessant ist die Anordnung der Radwegbenutzungspflicht für den einseitigen Zweirichtungsradweg bei T-Kreuzungen mit abgehenden Seitenstraßen auf der gegenüberliegenden Straßenseite . . . |
Mehr . . . / More . . . :
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Und, eine E-Mail an die Verwaltung geschickt und auf die offensichtlich falschen Schilder hingewiesen. Es soll sicherlich jeweils VZ 230 Gehweg sein. Ich sehe da nur verschiedenfarbige Gehwegbeläge. Getrennte Geh- und Radwege müssen deutlich voneinander getrennt sein - mindestens durch einen Breitstrich (25 cm breite, durchgehende Linie) nach ERA etc.
AntwortenLöschenVielleicht meinst Du VZ 239?
LöschenHurrah, ein kritischer Bericht über Teile "meines" Reviers. :D
AntwortenLöschenAlles sehr richtig bemerkt und kritisiert. Zum Glück (?) interessieren diese Radwege niemanden. Touristen fahren mit dem Auto direkt an den Sauerlandring und fahren ein paar Meter durch den Fledermaustunnel. Auf den oben fotografierten rot gepflasterten Radwegen habe ich noch nie einen Radfahrer gesehen. Traurig. Das sind aber genau die Gründe, warum a) da problemlos und unbemerkt kampfgeparkt wird (stört ja niemanden), b) problemlos flaniert werden kann (kommt ja eh nie jemand) und c) nichts geänder wird (interessiert ja niemanden). Als Rennradfahrer habe ich dort auch noch nie Probleme gehabt, wenn ich diese Radwege ignoriert habe. Auf der Fahrbahn ist genügend Platz und das Rumgehupe nimmt eh von Jahr zu Jahr ab.
Dennoch kein Grund, nicht doch gegen diesen Radweg-Irrsinn vorzugehen. Teile des HSK haben bereits großräumig abgeschildert, scheint aber städteweise vollzogen zu werden. Im Kreis Olpe scheinen noch alle Schilder genau so zu stehen, wie sie dort auch vor zehn Jahren schon standen. Vermutlich gibt es dort wirklich zu wenige Radfahrer, die diese Schilder stören.
Ergänzung: An dieser Stelle einmal ein Danke und Lob für das tolle Blog.