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Rad fahren in Kölns Innenstadt ist nicht lustig |
Radfahrer in Hamburg sollten sich den 29. Januar als Veranstaltungs-Höhepunkt zum Jahrebeginn vormerken. Gemeinsam mit der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) lädt die
Patriotische Gesellschaft zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema "
Warum kann Hamburg nicht Fahrrad? - 20 Jahre nicht wirklich vorangekommen" ein.
Die Situation für Radfahrer im Hamburger Stadtgebiet erscheint, kurz gesagt, trostlos. Radwege enden vor Bäumen oder im Nichts; Stellplätze sind rar und der mögliche Fahrradstreifen wie in der Hallerstraße wird beim Ausbau schlicht und einfach „vergessen“.
Bereits Anfang 1992 hat der Arbeitskreis Zukunftsfragen der Patriotischen Gesellschaft von 1765 ein Papier erarbeitet: „Sieben Punkte für eine fahrradfreundliche Innenstadt. Sofortmaßnahmen, kurzfristig zu verwirklichen.“ Die sieben Punkte wurden in den vergangenen 20 Jahren nicht umgesetzt. Nur teilweise sind Ansätze zu erkennen.
Daran knüpfen wir an und fragen: Woran liegt es?
Wir wollen uns aber nicht nur auf die Probleme der Innenstadt beschränken, sondern ganz Hamburg beleuchten. Deshalb: Soll die „Radverkehrsstrategie für Hamburg“ vom Oktober 2007 nicht mehr oder nicht im ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmen umgesetzt werden?
Hamburg im Jahre 1993: Hamburgs Radverkehrsverkehrsanlagen, das berühmte 1.800 Kilometer-Netz,
orientierten sich vor zwanzig Jahren noch ausnahmslos am Vorrang des Autoverkehrsflusses. Radwege
dienten nicht dem Radverkehr, sondern in erster Linie dem Autoverkehr.
Hauptsache war die Trennung von Auto- und Radverkehr, damit der
Autoverkehr beschleunigt werden konnte. Die schmalen "Radwege" waren noch alle benutzungspflichtig, gemeinsame Geh- und Radwege auf vielen Gehwegen sehr verbreitet.
Die Patriotische Gesellschaft hatte schon vor zwanzig Jahren zu einer
ähnlichen Veranstaltung eingeladen, um damals mit Bausenator Eugen
Wagner (SPD) in Hamburg einer Dialog zum Thema Fahrrad zu entfachen. Ein Ergebnis der damaligen Veranstaltung war die Einrichtung des "Fahrradbeirates bei der Baubehörde", an dem unter Vorsitz des Bausenators einige Verbände (ADAC, ADFC, VCD, usw.) teilnahmen. 2004 fand unter Bausenator Dr. Freytag das letzte Zusammentreffen des Beirats statt. Er war leider zu einem einseitigen Verkündungsgremium der Behörde degradiert worden. Kritik an den vorgestellten Projekten, wie z.B. dem unsichtbarem "Radweg" auf dem Jungfernstieg, war unerwünscht.
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Fehlplanung unsichtbare "Radwege" rund um Hamburgs Jungfernstieg |
2005 belegte Hamburg beim Fahrradklima-Test des ADFC den letzten Platz unter allen Großstädten. Dies war ein Tiefpunkt, nachdem es erste Hoffnungen auf Besserung gab. Ab Ende 2006 gründete sich mit dem späteren Bausenator Gedaschko ein Fahrradforum, das 2007 die "Radverkehrsstrategie für Hamburg" entwickelte.
2013, fünf Jahre nach öffentlicher Vorstellung der "Radverkehrsstrategie für Hamburg", scheint Hamburg nicht mehr so euphorisch wie zu anfangs die Ziele der Radverkehrsstrategie verfolgen zu wollen. Woran liegt es? Blockiert Hamburg sich mit seinen vielen parlamentarischen Gremien auf Landes- und Bezirksebene? Sind die Behördenstrukturen innovationsfeindlich? Vom Ziel den Radverkehrsanteil bis 2015 auf 18% anzuheben ist der Staatsrat für Verkehr vor zwei Jahren abgerückt. Der Ausbau des Veloroutennetzes kommt nicht so voran wie zuvor angepeilt. Radverkehr ist unter dem jetzigen Senat offiziell kein Schwerpunktthema mehr.
Welche Hinderungsgründe gibt es? Sind die politischen Prioritäten inzwischen anders gesetzt worden? Was lässt sich verbessern? Wie lassen sich die Prozesse vereinfachen und beschleunigen? Vor allem aber: Wie machen es andere Städte?
Ist der
Kölner Radverkehr besser aufgestellt als der in Hamburg? Köln zählt mit Berlin, Hamburg und München zu den Millionenstädten in Deutschland. Köln ist
Mitglied
in der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte in NRW (AGFS).
Selbstbewußt wirbt Köln für sich als "Fahrradfreundliche Stadt Köln". Als geradezu radverkehrsfreundlich ist Köln unter den vier Großen allerdings nicht bekannt. Und unter Radfahrern hat Köln einen schlechten Ruf.
Der Kölner Georg Bleicher besuchte für
abfahren
(VSF) Kopenhagen, und stieg anschließend ernüchtert in Köln aus dem Zug. Viele praktische Dinge, die für Kopenhagener selbstverständlich
sind, fehlen offenbar auch in Köln. Der Vergleich mit der Fahrradstadt Kopenhagen ließ viele Fragen offen.
Warum müssen Radler in Deutschland eigentlich an jeder Kreuzung Radweg-Bordsteine runter und wieder hoch? Wie viel flüssiger und angenehmer ginge das ohne Stufen!
Wieso muss ich, wenn ich in Köln breite Straßen per Radweg überquere, bis zu drei Inseln samt dazugehöriger Ampeln bereisen – natürlich mit roter Welle?
Weshalb fragt mich ein Autofahrer, wenn ich mich an der Ampel auf dem gekennzeichneten Wartefeld für Radler positioniere, warum ich mich „in den Weg stelle“?
Wieso führen Radwege ins Leere und gefährden sämtliche Beteiligte mit oft nicht einsehbarem, abruptem Ende.
Oder warum braucht man auf gekennzeichneten Radrouten in der Innenstadt oft doppelt so viel Zeit von A nach B wie auf der Straße?
Warum werden Radwege ausgeschildert, die laut Gesetz in Punkto Breite oder Belag gar keine sein dürften und eine Gefahrenquelle darstellen?
Die Geschäftsstraße: Kopenhagen - Köln - Hamburg
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Geschäftsstraße in Kopenhagen - Beispiel nördliche Nørrebrogade |
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Geschäftsstraße in Köln - Beispiel Venloer Straße |
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Geschäftsstraße in Hamburg - Beispiel Osterstraße |
Ein Bericht in der ZEIT über Kopenhagens Radverkehr veranlasste den Leser
perpedalo zu folgendem Kommentar:
Sicher gibt es viele fahrradfreundliche Städte. Es gibt aber
auch welche bei denen der politische Wille fehlt. Ich denke hier an Köln.
Trotz SPD / Grünen-Vorherrschaft und einer guten topographischen Lage
hat sich an dem Radfahrerdilemma in Köln nichts geändert.
Es ist und bleibt gefährlich Fahrrad zu fahren: desolate Fahrradwege
und -streifen; Verbote Fußgängerzonen zu queren; gefährliche
Straßenbahnschienen und eine repressive Polizeitaktik, welche vermehrt
Fahrradfahrer zur Kasse bittet!
Mittlerweile hat auch der ADFC Köln die Nase voll und bezeichnet die
"Keksrunden" bei "Velo 2010" - bei der sich Vertreter von Polizei und
Verwaltung sowie VCD und weiteren... zwecks Verbesserung des
Radverkehrs, treffen - als nicht mehr hinnehmbar http://www.ksta.de/koeln/...
Es tut sich einfach nichts und die Unfallzahlen mit Verletzten und Toten steigen. Das ist der eigentliche Skandal!
Selbst erkannte Unfallstellen werden nicht entschärft und man toleriert weiterhin diese Umstände.
Die meisten Kölner rechnen nicht damit, dass sie es noch erleben, dass
die Stadt tatsächlich den Fahrradverkehr durch Umbau von Autostraßen
oder Teilfreigabe von Fußgängerzonen (z.B. Ost-West-Verbindung über die
Domplatte) effektiv fördern wird. Der unausgesprochene Konsens ist:
Präferenz hat der Autoverkehr und Radfahren ist Hobby oder
Freizeitsport.
Mit Kölns Radverkehr beschäftigen sich mehrere Blogger recht engagiert, zum Teil auch mit Gehör in der
Lokalpresse. Auch in Köln gibt es offensichtlich einen Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen dem Machbarem und den Möglichkeiten, zwischen Schein und Sein.
fahrradjournal-Autor Wolfgang Scherreiks besuchte die Rheinmetropole und urteilte ernüchtert: Kein Spaß beim Rad fahren in Köln.
Mein Selbstversuch hat mich für diesen Besuch nicht überzeugt. Als
Defensivfahrer hatte ich zwar kaum Konfrontation mit dem motorisierten
Individualverkehr. Doch zu irritierende Führung, widersprüchliche
Beschilderung, zu enge Radwege, verkehrsplanerische Miniaturoperationen,
die kleinteilige Stückelung einer bunt belegten Pizza, die ich einmal
»die Kölnpizza« nennen will, setzte der Lust am Radeln überall Grenzen.
Roland Brühe berichtete von einem "
Radverkehrstreff" der Stadt Köln, der sich dem Thema Radwegebenutzungspflicht in Köln widmete. Offenbar tut sich auch die Stadt Köln - wie
Hamburg - schwer Radwegbenutzungspflichten bei unbenutzbaren "Radwegen" aufzuheben. Die Rechtslage ist eindeutig, die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung und die neuere Rechtssprechung lassen keinen Zweifel, dass Radwege nur benutzungspflichtig sein dürfen, wenn sowohl der Zustand des Radweges es zulassen, als auch die Verkehrssicherheit dies ggf. erfordert. Beide Kriterien müssen erfüllt sein. Doch die Empfehlung des Kölner Polizeidirektors an die Radfahrer, bei unbenutzbaren benutzungspflichtigen "Radwegen" abzusteigen und zu schieben, entmutigt.
Arne Vogel von
radgefahren.de besuchte 2011 eine Veranstaltung mit dem Radverkehrsbeauftragten der Domstadt.
Was mich insbesondere interessierte war, wie sich der
Fahrradbeauftragte präsentieren wird, hatte ich seinerzeit große
Hoffnung in sein Amt gesetzt.
Die Kommunikation zwischen ihm und Menschen, die konkrete
Vorstellungen von Radverkehr haben, hat sich in der Vergangenheit als
schwierig dargestellt. Die Radverkehrssituation “schönzureden”, ist
vielleicht bei seinem Amtsleiter, Klaus Harzendorf, willkommen, für
Alltagsradler allerdings ist das keine adäquate Lösung. Auf der
Cycolonia stellte unser Fahrradbeauftragter sich und seine Aufgaben vor,
nämlich “den schwierigen Spagat hinzubekommen zwischen Service,
Öffentlichkeitsarbeit, was die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wollen,
was sie erwarten und das halt in der Verwaltung zu koordinieren, voran
zu bringen und die entsprechenden Dienststellen und uns selber dazu zu
bewegen immer mehr für den Radverkehr zu machen. Das ist so ungefähr das
ganze Spektrum, was ein Fahrradbeauftragter abdeckt, d.h.
Ansprechpartner letztendlich für alle Themen rund um Fahrrad fahren in
Köln.” – Nichtsdestotrotz hat meiner Meinung nach der
Fahrradbeauftragte eher Schwierigkeiten, den Spagat zu bewältigen
zwischen der Kommunikation mit Bürgern, die ein Anliegen jenseits von
“Straße fegen” haben und dem, was in der Verwaltung tatsächlich möglich
ist, nämlich so gut wie nichts. Von der Umsetzung eines Bürgerbegehrens
bzw. einer Mängelinformation bis zur Mängelbeseitigung will ich gar
nicht reden. In der aktuellen “FahrRad” 01/2011 vom Kölner ADFC und in den Kölner Fahrradblogs sind einige dieser traurigen Beispiele nachzulesen.
Dabei kommuniziert Möllers keinen Unsinn, alles ist durchweg brauch-
und nachvollziehbar, vorausgesetzt es wird nicht konkret. Dann geht
plötzlich nichts mehr. Dann wird die Transparenz, die er neuerdings
kommuniziert so blickdicht wie die Strumpfhose meiner Großmutter.
Was nutzt unserer Stadt ein Fahrradbeauftragter, der zwar dem Leiter
des Amts für Straßen und Verkehrstechnik gefällig ist, nicht aber dem
Bürger?
Zum Beispiel erscheint beinahe nach jeder aufgestellten Haarnadel
(Kölner Fahrradabstellpfosten) eine Pressemeldung. – Allein durch das
Bereitstellen von mehr Fahrradabstellanlagen wird Radfahren in Köln aber
nicht sicherer. – Doch diese Pressemeldungen lesen sich so wunderbar
und haben vor allem keine Konsequenzen für den Kraftfahrzeugverkehr.
Neben den subjektiven Eindrücken einzelner Radfahrer gibt es konkrete Indikatoren, die das Radverkehrsklima beschreiben. Der Radverkehrsanteil in München beträgt 17%, in
Berlin hat es 13%, in
Köln und Hamburg jeweils 12%. Beim Fahrradklima-Test 2005 lag unter den vier Großen die heutige
Radlhauptstadt München vorn, gefolgt von Berlin, Köln und Hamburg, dem Schlußlicht (am 1. Februar wird das Ergebnis des neuen Fahrradklima-Tests vorgestellt). Beim eher subjektiven
copenhagenize-Index 2011 wurde Köln leider nicht getestet. Unter den zwanzig besten Fahrradstädten der Welt sind drei deutsche Städte vertreten: Berlin vor München und Hamburg.
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Mit dem Rad in Kölns Innenstadt |
Kann Köln etwa Vorbild für Hamburg sein oder können wir von Köln lernen unsere bekannten Probleme zu lösen? Die Patriotische Gesellschaft verspricht uns Radfahrern, Politikern, Stadt- und Verkehrsplanern einen interessanten Abend:
Jürgen Möllers, Fahrradbeauftragter der Stadt Köln, wird in einem
Einführungsvortrag über die Erfolge und Probleme ganzheitlicher Planung
für den Radverkehr in Köln berichten.
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