19. Mai 2017

Zwischenbilanz der Behörde zum Projekt "Fahrradstadt Hamburg"

Transport Authority gives interim result to project "City of Cyclist Hamburg"
Aktualisiert um 19:16 Uhr

Rahlstedter Weg / Scharbeutzer Straße, Radwegebau - © Stefan Warda


Einen Tag vor Veröffentlichung des "Fahrradklima-Tests" stellte die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) ihre Zwischenbilanz zum Projekt "Fahrradstadt Hamburg" vor.


Bündnis für den Radverkehr

Die drei Säulen Infrastruktur, Service und Kommunikation sollen das Grundgerüst des Bündnisses für den Radverkehr stellen, welches im Juni letzten Jahres von Vertretern des Senats und der Bezirke gemeinsam mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz unterzeichnet wurde. Was ist bereits geschehen und was steht an?

Infrastruktur

Das Veloroutenkonzept der Stadt steht. Es umfasst 14 stadtweite Routen mit einer Gesamtlänge von etwa 280 Kilometern. Nach Abschluss der Beteiligungs- und Planungsprozesse haben die Realisierungsträger nun mit der Umsetzungsphase begonnen. Es sollen lange, zusammenhängende Strecken realisiert und wichtige Lückenschlüsse vorgenommen werden. Einige Beispiele:
  • Veloroute 2
    Abschnitt Schanzenstraße / Weidenallee von Lagerstraße bis Schäferkampsallee, 900 Meter
  • Veloroute 4
    Abschnitt Hudtwalckerstraße von Leinpfad bis Bebelallee, Lückenschluss zwischen Leinpfad und Bebelallee, 140 Meter
  • Veloroute 5
    Abschnitt Leeschenblick – Fabriciusstraße von Gründgensstraße bis Bramfelder Chaussee, 1.190 Meter
  • Veloroute 8
    Abschnitt Horner Weg von Hammer Berg bis Bei den Zelten, 1.200 Meter
Weitere Maßnahmen sollen folgen, um den Ausbau bis 2020 konsequent voranzutreiben. Rund 35 Millionen Euro sollen zur Verfügung (30 Millionen Bundesmittel, rund 5 Millionen Landesmittel) stehen. Der Ausbau des stadtteilverbindenden Bezirksnetzes (z.B. die gekippte Veloroute entlang der Walddörferstraße) werde dabei mitgedacht und wenn möglich eingebunden.
Die Prüfung, inwieweit die Einrichtung von Radschnellwegen möglich und sinnvoll für Hamburg und die Metropolregion sei, soll abgeschlossen sein. Die dazzu vorliegende Analyse durch die TU Hamburg zeige ein hohes Erreichbarkeitspotenzial auf, so dass in einem nächsten Schritt vertiefte Machbarkeitsstudien für sechs Trassen beauftragt würden. Ziel sei perspektivisch eine Anbindung der Metropolregion über Radschnellwege, die so weit wie möglich in das Stadtgebiet geführt und in das Veloroutennetz überführt werden sollen.

Service

Das öffentliche Leihradsystem "StadtRAD" Hamburg wurde auf alle Bezirke und auch periphere Stadtteile erweitert. Der Anfangsbestand von knapp siebzig Stationen wurde enorm ausgebaut - mittlerweile bestehen 206 Stationen mit 2.450 Fahrrädern und im vergangenen Jahr konnten über drei Millionen Fahrten gezählt werden. Das "StadtRAD" leiste einen wichtigen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Mobilität in Hamburg. Zurzeit werde die Neuausschreibung des Betreibervertrages vorbereitet, um das bisherige Angebot fortzuführen.
Die Umsetzung des Bike+Ride-Entwicklungskonzeptes sei in vollem Gange und überall in Hamburg wahrzunehmen – neue Standorte gibt es beispielsweise in Ohlstedt, Othmarschen, Poppenbüttel und Berne. In diesem Jahr sollen 17 weitere hinzukommen, so dass ein Angebot von knapp 2.000 zusätzlichen Plätzen geschaffen werde. Die Anlagen seien sicher, komfortabel und sauber und böten standortabhängig auch die Möglichkeit der Nutzung von Schließfächern - z. B. für Helme oder Regenkleidung sowie Ladestationen für Pedelecs. Die Planungen sollen weitergehen und auch fünf Hamburger Fernbahnhöfe sowie die Digitalisierung des Angebots in den Blick nehmen.

Das Radfahren solle ganzjährig sicher und komfortabel möglich sein. Hierfür sei der "Winterdienst" um knapp dreißig Streckenkilometer erweitert worden. Eine stetige Anpassung und Erweiterung sei vorgesehen. Zusätzlich soll eine verstärkte Laubreinigung durch die Stadtreinigung Hamburg erfolgen.

Kommunikation

Die BWVI war bereits bei verschiedenen Veranstaltungen vor Ort, hat zahlreiche Vorträge zu dem Thema Radverkehr gehalten und macht das Thema immer mehr zu einem Stadtgespräch. Die Präsenz auf Fahrradmessen und Informationsveranstaltungen soll den direkten und unkomplizierten Austausch fördern.
Der Aufbau der Zählsäulen für die sichtbare Erfassung des Radverkehrs soll zur nächsten Radsaison stehen. Die Standorte seien abgestimmt. Die sichtbare Anzeige soll den Radverkehr vor Ort präsenter machen und ein Bewusstsein über die zunehmende Bedeutung des Radverkehrs in Hamburg schaffen. Die Daten sollen außerdem für die Verkehrsplanung genutzt werden.
Die Weiterentwicklung des Melde-Michels um radverkehrsbezogene Themen als zentrale Adresse für Bürgerinnen und Bürger für Meldungen von Problemstellen im Radverkehrsnetz sei erfolgt.

Was gibt es noch?

Wie bereits bei der Konzeption des Veloroutennetzes und anderen Maßnahmen werde nicht am grünen Tisch geplant, sondern gemeinsam und vor Ort. Schnell und pragmatisch könne auf Hinweise reagiert werden. Wenn sich zum Beispiel zeige, dass die Streckenführung und Beschilderung bei Umleitungen für den Radverkehr in Baustellen optimiert werden muss, geschehe dies umgehend (aktuell: Tiergartenstraße/Umbau CCH). Auch sei bereits auf einen gestiegenen Bedarf im Bereich des Parkraummanagements reagiert worden und das Personal aufgestockt (in den letzten zwei Jahren 25 zusätzliche MitarbeiterInnen im Einsatz).

Perspektive

Vermutlich wird 2018 der nächste "Fahrradklima-Test" durchgeführt und im darauf folgenden Jahr das Ergebnis vorgestellt. Vielleicht zeigen sich dann erste Anerkennungen um die dargestellten Maßnahmen. Bei deutlich mehr komfortablen Streckenkilometern im Veloroutennetz dürfte es zu positiveren Bewertungen kommen. Es ist aber auch mehr Sorgfalt bei der Ausführung der Baumaßnahmen notwendig. Fehlplanungen wie an der Kreuzung Grindelberg / Isestraße, die wieder zurückgebaut werden, schaden dem Image der "Fahrradstadt". Und einige der neu angelegten Velorouten oder Radverkehrsanlagen sind schon jetzt sehr knapp dimensioniert - vor allem angeischts der noch zu erwartenden Radverkehrssteigerung.

Es besteht derzeit noch wenig Aussicht auf wirkungsvolle Verbesserung bezüglich der Wildparker auf Radverkehrsanlagen jeglicher Art oder der sinnfreien Radverkehrsführungen an Baustellen, die weiterhin für sehr schlechte Noten beim "Fahrradklima-Test" stehen. Der bislang kaum spürbar durchgeführte "Winterdienst" auf den Radverkehrsanlagen und im Verlauf der Velorouten (z.B. im Verlauf von Tempo-30-Zonen) könnte zukünftig durch den zu erwartenden Klimawandel obsolet werden. Das Projekt "Fahrradstadt Hamburg" bleibt also weiterhin spannend.


Grindelberg / Isestraße, aktuelle Radverkehrsführung - © Stefan Warda

Grindelberg / Isestraße, aktuelle Radverkehrsführung - © Stefan Warda
 


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6 Kommentare:

  1. Wieso baut man eigentlich in Hamburg noch Plattenwege?

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    1. Weil es preiswert ist und nur um Radverkehr geht.

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    2. Wie ist die Befahrbarkeit dieser Hamburger Platten im Vergleich zu Klinker (so was: http://velocityruhr.net/wp-content/uploads/2016/08/S%C3%BCdwall-Bestand.jpg)?

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    3. Was da auf dem bild erkennbar ist - vermutlich Wallring in Dortmund, sind rauhe Betonsteine in Format 10x20 cm, die wohl sogar noch gefast sind. Die Betonsteine 25x25 sind glatter, und ungefast. Zudem gibt es aufgrund der größerer Steine weniger Fugen je Quadratmeter. Dadurch fährt es sich darauf etwas angenehmer. Gleichwohl werden auch die 25x25 cm Betonsteine von Wurzeln hochgedruckt, oder versacken, weil der Untergrund nicht ausreichend tragfähig hergestellt wird. anders dagegen in münchen, wo auf einer dicken Schrottertragschicht statt eines Sanduntergrundes Asphalt verwendet wird. Ebenfalls in Kopenhagen.

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    4. Ein weiterer Nachteil: Die Betonsteine sind nicht lichtecht und nach etwa zehn Jahren ist die rote Farbe nahezu ganz ausgeblichen. Dann ist kaum noch ein Unterschied zwischen Geh- und Radweg erkennbar - insbesondere nicht in der Dunkelheit, und überall dort, wo viele Touristen anfallen, gibt es Konflikte.

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    5. „vermutlich Wallring in Dortmund“ Stimmt genau, du kennst dich ja bestens aus. Alter Hagener, richtig? :-)

      Richtig, in dem Fall sind sie sogar gefasst, aber ungefasst sind sie fast genauso schlimm. Die Verwaltung klopft sich natürlich trotzdem kräftig auf die Schulter und nennt die ungefasste Variante des Hoppelpflasters „fahrradfreundlich“.

      Stichwort Asphalt: Das wäre natürlich die Lösung, wenn man es richtig macht, wie in Kopenhagen oder Teilen der Niederlande. Das Problem sind die Leitungen. Wenn man die verlegt, wird es richtig teuer, wenn man sie drunter lässt, ist der Asphalt nach Leitungsreparaturen bald ein grausamer Flickenteppich. Wir haben hier einige solche Stellen, z.B. in innenstadtfernen Bereichen des Hellwegs, in denen es so grausam (und benutzungspflichtig) ist, dass man sich den Hoppelklinker zurück wünschen würde. Da sie selbst in den Niederlanden in einigen Gemeinden Probleme haben, teure Leitungsverlegungen durchzusetzen, ist das fürs Ruhrgebiet völlig utopisch. Das war der Hintergrund meiner Frage: Die Suche nach einer Alternative zu Hoppelpflaster, die für abgehängte Regionen wie das Ruhrgebiet realistischer ist als Asphalt. Ich muss die Hamburger Platten mal vor Ort testen. Aber wahrscheinlich ist das alles ein unlösbares Problem, denn wenn man hier im Revier die Seitenräume gefühlt nur zweimal pro Jahrhundert saniert und Radinfra nichts kosten darf, gibt es einfach keine funktionierende Lösung.

      Das Problem mit dem fehlenden farblichen Unterschied hatte ich in dem Artikel, aus dem das Foto stammt, auch schon angesprochen (http://velocityruhr.net/blog/2016/08/09/historischer-radweg-restauriert-brandneu-und-kein-stueck-besser).

      Peter

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