19. Mai 2017

Bundesweiter "Fahrradklima-Test" wird heute vorgestellt

"Cycling climate index" will be presented today
Aktualisiert um 10:37 Uhr

"Elbe-Radweg" an der Billhorner Brücke - © Stefan Warda


Heute sollen die Ergebnisse des bundesweiten Fahrradklima-Tests in Berlin vorgestellt werden. Vorab sollten wir uns alle bewusst machen, dass der Fahrradklima-Test kein Ranking nach wissenschaftlicher Methodik ist. Die Noten, mit denen Radfahrer das Fahrradklima in ihren jeweiligen Städten bewerten, sind nicht untereinander vergleichbar. Die Noten berücksichtigen jeweils nur die Empfindungen der in den jeweiligen Städten lebenden Menschen, denen die Radfahrbedingungen in Sädten anderer Regionen vollkommen fremd sind. Daher kommt es unter den Städten auch zu erheblichen Verzerrungen. Städte mit relativ geringem Radverkehrsanteil (und schlechter oder nicht vorhandener Infrastruktur), in denen also nur wenige Menschen sich freiwillig aufs Fahrrad setzen, schnitten in vielen Fällen bislang besser ab, als Städte mit vielen Einwohnern, die jedoch eine wesentlich höheren Radverkehrsanteil aufweisen.


Veloroute 8, U-Bahnhof Hammer Kirche - © Stefan Warda


Während also Hamburg nach alter Datenlage von 2008 einen Radverkehranteil von zwölf Prozent haben soll, bekam es die Note 4,28. Die Stadt Gevelsberg mit einem Radverkehrsanteil von nur zwei Prozent liegt sogar nahezu gleichauf mit der Note 4,22. Sogar die extrem radverkehrsunfreundliche Großstadt Stuttgart mit einem Radverkehrsanteil von nur fünf Prozent wurde mit der Note 4,02 leicht besser bewertet als Hamburg.  Ebenfalls weniger beliebt ist das Radfahren in Dortmund (Radverkehrsanteil 6,4 %) und Essen (4,9%). In beiden soll das Radfahren jedoch besser gestaltet sein als in Hamburg (jeweils Note 4,0). Tolles Fahrradklima, nur kaum jemand traut sich dort zu radeln? Ein weiteres Beispiel ist die Landeshauptstadt Mainz, die mit 11,6 Prozent einen nahezu gleichen Radverkehrsanteil aufweist wie Hamburg: die Radfahrer in Mainz bewerten ihre Stadt mit der Note 3,71 deutlich besser als Hamburg - trotz sehr schlechter Infrastruktur und überwiegend immer noch regelwidrig angeordneter Radwegbenutzungspflicht. Die Mainzer hätten ihre Stadt wahrscheinlich anders bewertet, wären sie öfters in Hamburg geradelt - und umgekehrt. Sind die Erwartungen in Hamburg höher, weil über Jahrzehnte hinweg immer wieder etwas versprochen und nicht eingehalten wurde? Es bleibt vorerst ein Geheimnis, warum die Radfahrer in anderen Städten, wo sich im Vergleich zu Hamburg nur wenige Menschen auf Fahrradsättel setzen, zufriedener mit ihren Bedingungen sind als Radfahrer in Hamburg.

Wir sind trotzdem gespannt auf die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests.


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4 Kommentare:

  1. So geheimnisvoll ist das gar nicht. Die genannten Städte liegen einfach südlich der Norddeutschen Tiefebene, sind einfach deutlich hügeliger und weniger zentrumsorientiert gebaut als Hamburg, so dass das Radfahren ganz unabhängig von der Infrastruktur schwerer fällt. Daher mag das politische Fahrradklima gut sein und trotzdem bleibt Radfahren als Autoalternative zu anstrengend für viele Menschen. Im genannten Dortmund z.B. kann man zwar dem Radweg aus der Innenstadt den Berg hoch nach Brünninghausen fahren, wird dafür dann aber auch einigermaßen abgekämpft ankommen, wenn man ein normales (schweres) Fahrrad fährt.

    Ich halte das daher schon logisch für unangemessen und fahrradpolitisch sogar für höchst schädlich, einer aus der Luft gegriffenen Spekulation einer vermeintlich höheren Erwartungshaltung zu folgen.

    Solange zwar einzelne Straßenabschnitte fahrradfreundlcih renoviert wurden, aber es immer noch viele, viele untragbare Zustände gibt (Reeperbahn, An der Verbindungsbahn, Esplanade, um nur mal drei ganz zentral gelegene Gruselbeispiele zu nennen), darf man es sich nicht so leicht machen, den Befragten die Schuld für die schlechten Umfragewerte in die Schuhe zu schieben. Sie benennen einfach nur die real sehr schlechten Zustände.

    Tom

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    1. Und trotzdem Oberhausen relativ flach ist, trauen sich dort nur 6,3 Prozent der Bürger mit dem Rad zu fahren - und dafür gab es 2014 die Note 3,58.

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  2. Oberhausen ist so eine typische Stadt ohne echtes Zentrum, sondern mit verschiedenen Teilzentren, was viele Wege länger macht. Dazu wird Oberhausen von der A42 sehr ungünstig für den Radverkehr in zwei etwa gleich große Teile zerschnitten, die nur an eher wenigen Stellen miteinander verbunden sind. Zudem gibt es viel Schwerlastverkehr in Oberhausen (ja, in Hamburg auch, aber in Hamburg gibt es zumindest einige Bereiche, in denen man weniger damit zu kämpfen hat). Und schließlich spielt natürlich auch eine Rolle, dass Oberhausen nur eine sehr kleine, gerade gestartete Uni hat und sonst wenig junge Leute anzieht: Studenten und andere junge Leute fahren klassischerweise überproportional viel Fahrrad.

    Bestimmt lassen sich noch andere mögliche Ursachen und Korrelationen finden. Eine höhere Erwartungshaltung kann prinzipiell auch darunter sein, aber echte Anzeichen sehe ich dafür bisher nicht. Und, darin sind wir uns vermutlich einig: Die Radinfrastruktur in Hamburg ist insgesamt immer noch echt mies.

    Tom

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  3. Danke für die Einordnung der Methodik

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