1. Mai 2017

Ludwigshafen: Eindeutiges Urteil zu aggressiven Sondernutzungen an Radwegen

Ludwigshafen: Court bans obstructive retail on sidewalk


Eppendorfer Baum: Dieser Fakeradweg wird derzeit entfernt und durch einen Schutzstreifen ersetzt - © Stefan Warda


Schmalspurradwege neben Schmalspurgehwegen neben Geschäftsauslagen oder Außengastronomien, das ist Hamburgern sehr vertraut. Die vom Senat versprochene "Fahrradstadt" läßt weiterhin auf sich warten. Bessere Radverkehrsanlagen durchzusetzen ist sehr schwierig. In der Regel stehen Stehzeuge und Bäume dagegen, ansonsten auch gern selbstverliebte Anlieger. Aber auch Sondernutzungen wie Geschäftsauslagen und Außengastronomie können den Radverkehr behindern.


Schanzenstraße, Fakeradweg mitten durch Gartenmarkt - © Stefan Warda

"Veloroute 2", Schanzenstraße - © Stefan Warda

In Hamburg wurden über Jahrzehnte hinweg mangels Einsicht, Interesses oder mangels Personals behindernde oder illegale Sondernutzungen, die den Verkehrsfluss auf Geh- und Radwegen behindern, großzügig geduldet. Die immer noch vorhandenen "Radwege" in der Schanzenstraße und der Weidenallee (Veloroute 2) sind weiterhin extrem durch genehmigte und nicht genehmigte Sondernutzungen stark beeinträchtigt. Eine klare Haltung für den Radverkehr beziehen die verantwortlichen Hamburger Behörden nicht, denn ansonsten wären die Radwege in der Schanzenstraße längst aufgehoben - oder aber die behindernden Sondernutzungen.

 
Eppendorfer Baum, nicht genehmigungsfähige Sondernutzung.Dieser "Radweg" wurde neuerdings neulich ersatzlos entfernt - © Stefan Warda



In Ludwigshafen hatten die Behörden offenbar mehr Mut gegen behindernde Sondernutzungen vorzugehen - und bekamen Recht. Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) hatte über eine Sondernutzung zu urteilen.


Abdrängen von Fußgängern auf Radweg infolge von Obst- und Gemüseverkaufs unzulässig

Die Stadt Ludwigshafen am Rhein hat dem Inhaber eines Gemüse- und Obstladens in der Innenstadt von Ludwigshafen zu Recht untersagt, Warenauslagen, Paletten, Einkaufswägen und Ständer vor seinem Ladengeschäft auf dem Gehweg und auf den Parkplätzen davor aufzustellen. Das hat die 3.  Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 28. März 2017 entschieden.
Der Antragsteller betreibt in der Innenstadt von Ludwigshafen einen Gemüse- und Obstladen. Der Bereich zwischen dem Geschäft und der Straßenfahrbahn ist in einer Tiefe von 1,83 m grau gepflastert, daran schließt sich ein 1,40 m rot gepflasterter Bereich und an diesen ein grau gepflasterter Parkstreifen an. Der Antragsteller bietet auf dem entlang des Geschäftsgebäudes verlaufenden grau gepflasterten Bereich auf Paletten und auf Warenständern mit einer Tiefe von 0,87 cm seine Waren an. Den Parkstreifen nimmt er als Abstellfläche auch in Anspruch. Die betreffende Straße ist als „Tempo-30-Zone“ ausgewiesen.
Nachdem die Antragsgegnerin anlässlich von Kontrollen im Dezember 2016 und Januar 2017 festgestellt hatte, dass der Antragsteller „unerlaubt“ Waren auf Warenständern und Paletten auf dem Gehweg anbot und sich weigerte, die Warenauslagen auf dem Gehweg zu entfernen, untersagte  sie dem Antragsteller am 1. März 2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, Warenauslagen, Paletten, Einkaufswägen und Ständer vor seinem Ladengeschäft auf dem Gehweg und auf den Parkplätzen davor aufzustellen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die nicht erlaubte Warenauslage auf dem Gehweg bedeute für den Fußgängerverkehr eine erhebliche Gefährdung, da Fußgänger auf den Radweg ausweichen müssten. Die erforderliche Mindestgehwegbreite sei nicht mehr vorhanden. Auch wenn keine Beschilderung des Radweges vorhanden sei, handele es sich um einen Radweg, der von Radfahrern befahren werden dürfe.
Gegen diese Verfügung erhob der Antragsteller Anfang März 2017 Widerspruch und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung nach, der Radweg sei aufgehoben. Die den Weg als Radweg ausweisenden Verkehrszeichen seien entfernt, lediglich die rote Pflasterung sei aus Kostengründen von der Antragsgegnerin nicht beseitigt worden. Der Fußgängerbereich habe sich auf Grund des Wegfalls der Anordnungsschilder für den Radweg um die Breite des früheren Radwegs von 1,40 m verbreitert. Der Fußgängerbereich sei damit 3,23 m (1,83 m + 1,40 m) breit. Durch die Warenauslagen mit einer Tiefe von 0,87 m verringere sich der Fußgängerbereich auf ca. 2,36 m.  
Die 3. Kammer hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Untersagungsverfügung sei offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller verfüge nicht über die nach dem Straßenverkehrsrecht erforderliche Genehmigung, auf deren Erteilung er auch keinen Anspruch habe.
Die Aufstellung von Warenständern und Paletten zum Anbieten von Obst und Gemüse durch den Antragsteller auf dem Gehweg vor seinem Geschäft in Ludwigshafen unterfalle der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Danach sei es verboten, Waren und Leistungen aller Art auf der Straße anzubieten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden könnten. Dies sei hier der Fall. Durch die Aufstellung von Warenständern und Paletten unmittelbar vor dem Gemüsegeschäft des Antragstellers sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Störung des Fußgängerverkehrs auf dem Gehweg zu rechnen. 
Gehwege dienten nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überließen. Fußgänger müssten den Gehweg benutzen. Die Antragsgegnerin habe seit den 1980-er Jahren die Mindestrestgehwegbreite bei Warenauslagen generell im gesamten Stadtgebiet auf 1,50 m festgelegt. Ob diese Breite weiter verringert werden könnte, könne dahinstehen. Jedenfalls dürfe eine Verschmälerung zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Gehwegs nicht so weit gehen, dass ein sicheres Begehen des Gehwegs nicht mehr gewährleistet sei. Der Gehweg entlang der Straße sei in dem hier fraglichen Bereich 1,83 m breit, wovon die Warenauslage des Antragstellers 87 cm beanspruche. Dem Fußgängerverkehr verblieben somit noch 96 cm Gehweg. Diese verbleibende Gehwegbreite reiche zur Gewährleistung eines Fußgängerverkehrs (auch mit Kinderwagen oder Rollator) einschließlich eines Begegnungsverkehrs nicht mehr aus, insbesondere wenn Personen vor der Warenauslage des Antragstellers zur Auswahl von Obst und Gemüse stehen blieben. Es werde daher ein Ausweichen auf den Radweg notwendig.
Zu Unrecht berechne der Antragsteller die Gesamtbreite des Gehwegs mit 3,23 m (1,83 m grau gepflasterter Bereich zuzüglich 1,40 m rot gepflasterter Bereich). Bei dem von dem Antragsteller dem Gehweg zugeschlagenen Bereich handele es sich nach wie vor um einen Radweg, auch wenn dieser nicht mehr durch das Verkehrszeichen 237 der Anlage 2 zur StVO als solcher ausgewiesen sei.
Was unter Radweg zu verstehen sei, werde in der StVO ebenso wenig definiert wie der Begriff des Gehwegs, zu dessen Benutzung Fußgänger verpflichtet seien. Unstreitig sei lediglich jeder durch Verkehrszeichen 237, 240 und 241 der Anlage 2 zur StVO gekennzeichnete Sonderweg als benutzungspflichtiger Radweg anzusehen. Hieraus folge jedoch nicht, dass eine derartige Kennzeichnung notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines Radwegs sei. Als Radweg im Sinne der StVO sei ein Straßenteil anzusehen, der seiner baulichen Gestaltung nach zweifelsfrei für den Fahrradverkehr bestimmt sei.
Hier verlaufe neben dem mit grauen Betonsteinen markierten Gehweg ein mit roten Betonsteinen gepflasterter Radweg. Es sei erkennbar, welcher der beiden unterschiedlich gepflasterten Bereiche in der betreffenden Straße in Ludwigshafen Gehweg und welcher Radweg sei. Eine Benutzungspflicht für den Radweg sei unzulässig, weil es sich dem betreffenden Bereich in Ludwigshafen um eine Tempo 30-Zone handele. Der Radweg sei aber als nicht benutzungspflichtiger Radweg durch das Zusatzzeichen [1000-33] gekennzeichnet. Des Weiteren sei der Radweg als Teil des Radwegnetzes nach Ludwigshafen-Friesenheim mit dem folgenden Schild markiert.
Tatsächlich würden Radfahrer diesen Weg auch als Radweg erkennen und befahren. Handele es sich aber bei dem mit roten im Fischgrätmuster verlegten Betonpflasterstein-Bereich mit dem dargestellten Zusatzzeichen um einen Radweg, könne dessen Breite nicht – wie der Antragsteller es mache – dem Gehweg zugerechnet werden. Der Radweg habe in seiner gesamten Breite den Radfahrern zur Verfügung zu stehen. Dies bedeute, dass von dem Gehweg bei Aufstellung von Warenständern und Paletten vor dem Obst- und Gemüseladen des Antragstellers den Fußgängern nur noch maximal 96 cm zur Verfügung stünden. Ein sicheres Begehen des Gehwegs erst recht ein Begegnungsverkehr sei damit nicht gewährleistet.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Nach dem Hamburgischen Wegegesetz dürfen Sondernutzungen nur erteilt werden, wenn die Sicherheit des Verkehrs nicht eingeschränkt und die Leichtigkeit des Verkehrs nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Doch nach diesem Gesetz wird in Hamburg oft nicht gehandelt. Das Wegegesetz ist damit eine der Regelungen, die vollkommen überflüssig sind. Oder werden Hamburgs Fußgänger und Radfahrer nicht zum "Verkehr" gezählt?



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1 Kommentar:

  1. Die Pfeffersäcke nutzen eben jeden Raum doppelt und dreifach. Sonst würde ja Fläche verschwendet werden. So ist es doch auch beim Thema Parken neben Radwegen. Lt. § 16 Abs. 1 Satz 3 HWG dürfte so nicht geplant werden. Wird es aber.

    Eigentlich erstaunlich, dass es diese Normen in Hamburg überhaupt gibt. Wo sie doch nie beachtet werden - und das auch noch mit dem Segen des Verwaltungsgerichts. Hochglanz ohne Konsequenzen können die Pfeffersäcke halt auch noch (siehe "Green Capital").

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