26. Februar 2014

Göttingen und der "eRadschnellweg"

Göttingen and the eCycle Superhighway
Aktualisiert am 28.02.2014

Göttingen, "eRadschnellweg" - © Stefan Warda


Göttingen hat Deutschlands ersten Radschnellweg für E-Bikes. Die Bezeichnung "eRadschnellweg" suggeriert dies zumindest. Auf bislang noch 2,4 Kilometern verbindet der blau markierte Radschnellweg den historischen Campus der Georg-August-Universität am Rande des historischen Stadtkerns mit dem Campus Nord auf der grünen Wiese oberhalb der Innenstadt. Ende November wurde dieses Teilstück eingeweiht, im Herbst 2014 soll die Verlängerung bis zum Hauptbahnhof erfolgen. Dann soll der "eRadschnellweg" eine Länge von vier Kilometern haben. Weitere Verlängerungen nach Norden und Süden sind angedacht.

© hamburgize.com / Stefan Warda
Göttingen, "eRadschnellweg", Ausbaustand Februar 2014. Die gestrichelte Linie stellt die für Herbst 2014 geplante Verlängerung dar

Eigentlich unterscheidet sich dieser Radschnellweg konzeptionell nicht besonders von anderen aus dem Großraum Kopenhagen oder den Niederlanden. Dort werden die Schnellverbindungen jedoch nicht explizit als E-Bike-Radwege hervorgehoben, auch wenn in den beiden fahrradfreundlichen Nachbarländern E-Bikes auf den Schnellrouten zum Einsatz kommen. In der Hauptstadtregion Kopenhagen hat es derzeit quasi zwei Radschnellwege, die Albertslundroute Kopenhagen - Frederiksberg - Rødovre - Glostrup - Albertslund und die Farumroute Nørrebro - Gladsaxe - Farum, die demnächst bis zum Nyhavn im Stadtzentrum verlängert wird. In den Niederlanden hat es verschiedene Radschnellwegprojekte in einzelnen Stadtregionen, z.B. in Groningen oder in der Metropolregion Arnhem / Nijmegen. Auch in London sollen Radschnellwege entstehen, ebenso wie in Freiburg, im Ruhrgebiet und weiteren Städten in NRW. Und sogar in Hamburg hat es Ideen zu Radschnellwegen.


Göttingen, "eRadschnellweg" - © Stefan Warda


Die spezielle Ausrichtung auf Elekromobilität im Fall des Göttinger Radschnellwegs hängt mit Fördermitteln des Bundes zusammen. Die Bundesregierung hatte vier Regionen Deutschlands als "Schaufenster Elektromobilität" ausgewählt und fördert dort die Entwicklung von alternativen Antrieben.

Der eRadschnellweg Göttingen wird bundesweit der erste Radschnellweg sein, der zentral durch eine Stadt führt. An dieser Teststrecke wird untersucht, welche Anforderungen Rad Fahrende mit Elektrofahrrädern an die Infrastruktur stellen und ob durch das Angebot von Radschnellwegen und von Elektrofahrrädern die Bereitschaft von Penderinnen und Pendlern steigt, vom Auto auf das Zweirad umzusteigen.

Göttingen: Durchschnittlich 3100 Radler passierten dieses Jahr täglich die Zählstelle am "eRadschnellweg" - © Stefan Warda

Neben dem Forschungsprojekt über die Universität Göttingen im Umfang von 450.000 Euro zur Auswertung der "Teststrecke" "eRadschnellweg" im Rahmen des "Schaufensters Elektromobilität" gibt es 520.000 Euro Fördergelder zur Anlage des Radwegs zusätzlich zur Eigenbeteiligung von 600.000 Euro durch die Stadt Göttingen.


"eRadschnellweg": Die Höhenunterschiede mit Blick vom nördlichen Endpukt der Route auf die Innenstatd werden hier deutlich - © Stefan Warda

Bei einer Erprobungsfahrt vor einer Woche waren nur herkömmliche Fahrräder auf dem "eRadschnellweg" im Einsatz. Derzeit besteht dieser Radweg aus zwei Teilstrecken. Der erste Teilstrecke verläuft als Fahrradstraße mit Anliegerverkehr durch ein Wohnviertel, wo es zuvor eine Tempo 30-Zone hatte. Der folgende Abschnitt führt als einseitiger getrennter Geh- und Radweg im Zweirichtungsverkehr neben einer äußerst großzügig ausgebauten vierspurigen Ausfallstraße zum Nord-Campus. Dort hat es auch eine Zählstelle. Die einseitige Lage des Radwegs korrespondiert mit der Lage der Campuseinrichtungen entlang der Ausfallstraße. Der Aspekt der Elektromobilität gewinnt an Plausibilität, wenn es einen bis zum letzten Ende des Radwegs verschlägt. Die Ausfallstraße hat eine leichte, aber stetige Steigung, die am Ende jedoch nochmals deutlich zulegt. Studenten und Universitätsangehörige müssen also morgens ordentlich in die Pedale treten, um die Einrichtungen anzufahren. Dagegen hat es nach Ende des Unitages eine bequeme Talfahrt ins Stadtzentrum oder mittags zur Mensa am Hauptcampus.


Göttingen, "eRadschnellweg" in der Goßlerstraße - © Stefan Warda

Göttingen, "eRadschnellweg": Fahrradstraße in der Goßlerstraße - © Stefan Warda

Einen negativen Beigeschmack hinterlässt allerdings der großzügig dimensionierte freie Rechtsabbieger, der den einseitigen Zweirichtungsradweg kreuzt, Wer auf dem Sattel talwärts rauscht, ggf. noch mit Motorunterstützung, der muss sich besonders in Acht nehmen, trotz Vorfahrt nicht von entgegenkommenden und kreuzungen Fahrzeugen überfahren zu werden. Die Aufprallgeschwindigkeiten dürften hier besonders hoch sein, da der Kurvenradius der Abbiegespur zügiges Fahren zulässt. Zudem liegt der freie Rechtsabbieger hinter einer Fahrradampel. Radler, die bei der Bergabfahrt auf noch bei Grüner Welle die Ampel passieren wollen und ggf. noch deutlich beschleunigen, werden unmittelbar danach mit dem Autoquerverkehr auf dem Radschnellweg konfrontiert - keine feine Sache.


Radler und Autos auf Konfrontationskurs entlang des "eRadschnellwegs". Der freie Rechtsabbiger entspricht nicht heutigen Planungsstandards - gemäß der ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) - © Stefan Warda

© Stefan Warda


Dem Stadtbesucher fallen nach Verlassen des Bahnhofs die zahlreichen abgestellten Räder auf dem Bahnhofsplatz und das Fahrradparkhaus auf. Im Umfeld des zentralen Campus beeindrucken die zahlreichen Radlerkolonnen an den Kreuzungen. Göttingen hatte 2009 einen Radverkehrsanteil von 29%. Mit dem neuen Radweg, der bis zum Hauptbahnhof verlängert wird, wird der Anteil sicherlich weiterhin steigen.


Göttingen, Bahnhofsplatz - © Stefan Warda

Bahnhofdplatz: Fahrradparkhaus - © Stefan Warda

© Stefan Warda

© Stefan Warda


Die Verbindung vom Zentralcampus zum Hauptbahnhof, das nächste Teilstück des "eRadschnellwegs", bedarf auf jeden Fall einer Verbesserung. Zum Teil sind die Radwegbreiten nicht ausreichend dimensioniert für den vorgegebenen Zweirichtungsverkehr. Offenbar hat es in Göttingen eine besondere Kultur der Zweirichtungsradwege. An zahlreichen Straßen ist oder war der Zweirichtungsverkehr erlaubt oder vorgeschrieben. Und Geisterradeln eindeutig entgegen der Regeln ist sehr verbreitet. Manche Straße haben Radwege von nur 1,5 Meter Breite, haben jedoch Piktogramme aufmarkiert, die eine Freigabe für den Zweirichtungsverkehr suggerieren. Beim Begegnungsfall wird dann ausnahmslos auf Gehwege ausgewichen. Solche Radwege genügen in Kopenhagen nicht einmal dem Einrichtungsverkehr, die Mindestbreite ist dort bei 2,2 Metern angesetzt. Ausblick: Die Verlängerung des "eRadschnellwegs" zum Bahnhof wird den Radlern sicherlich deutliche Verbesserungen mit eindeutigen und sichereren Führungen bereiten.


Erweiterungsstrecke für den "eRadschnellweg"

Göttingen, Berliner Straße: Beengte Zweirichtungsradwege - © Stefan Warda

Göttingen, Berliner Straße: Beengter Zweirichtungsradweg - © Stefan Warda

Göttingen, Goßlerstraße: Fahrradstraße mit Buslinienverkehr - © Stefan Warda

Goßlerstraße, Wegweisung - © Stefan Warda

Goßerstraße, Mensa am Turm - © Stefan Warda

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Goßlerstraße - © Stefan Warda



Geisterradlerstadt Göttingen

Göttingen, Weender Landstraße: Kein Zweirichtungsradweg - © Stefan Warda

Göttingen, Kreuzbergring: Zwar hat es Pfeilmarkierungen auf dem nicht benutzungspflichtigen Radwegen, doch einzig das Zusatzzeichen 1022-10 erlaubt den Gegenverkehr auf linken Radwegen -
© Stefan Warda

© Stefan WardaKreuzbergring: Eingeplante Kollisionen bei 1,5 Metern Radwegbreite - Anstiftung zum illegalen Geisterradeln und Gehwegradeln - © Stefan Warda

Göttingen, Kreuzbergring: In Kopenhagen würde dieser Radweg nicht einmal dem Einrichtungsverkehr genügen - © Stefan Warda

Göttingen, Kreuzbergring - © Stefan Warda



Vier Meter Radwegbreite


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© Stefan Warda

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3 Kommentare:

  1. Moin moin, der Radweg im Kreuzbergring, der in Kopenhagen nicht mal in einer Richtung ein Radweg wäre, ist auch hier keiner, das ist seit einigen Jahren ein Fußweg (Fahrräder frei), die Pfeile und Markierungen sind natürlich noch da.

    Gruß aus Gö,
    Andreas

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    1. Nach der gültigen StVO / VwV-StVO, die auch für Göttingen gilt, handelt es sich am Kreuzbergring um RADWEGE ohne Benutzungszwang. Hätte es dort FUSSWEGE, dürfte es dort keine Trennung zwischen Geh- und Radbereich geben wie auf den Fotos erkennbar, und es müsste das VZ 239 in Kombination mit ZZ 1022-10 geben. Das ist nicht der Fall. Und sollte der Zweirichtungsverkehr auf Gehwegen mit Freigabe für den Radverkehr erlaubt sein, dann müsste auch dies mit dem ZZ 1000-31 gekennzeichnet werden. Ist auch nicht der Fall.
      Übrigens unterscheidet sich der Radweg am Kreuzbergring in seiner baulicher Ausführung auch nicht von anderen sogar benutzungspflichtigen Radwegen wie an der Weender Landstraße, nur dass dort das VZ 241 angebracht ist.

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  2. Ich mag die großen blauen Piktogramme...kann man sowas nicht auch auf den Radstreifen und Fahrradstrasse in Hamburg anbringen? Die sehen auch relativ flach aus - die Radfahrpiktogramme in Hamburg sind immer sehr dick aufgemalt und "hubbelig"...auf längeren Strecken ist das durchaus eine Komforteinbusse.

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