Habichtstraße, Luftmessstation - © Stefan Warda |
Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. November 2019 hat das Oberverwaltungsgericht die Freie und Hansestadt Hamburg verurteilt, den derzeit geltenden Luftreinhalteplan unverzüglich fortzuschreiben. Den Beteiligten liegt nunmehr auch die schriftliche Urteilsbegründung zu dieser Entscheidung vor.
Die 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vom 30. Juni 2017 diente der Umsetzung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 5. November 2014 (9 K 1280/13), mit dem die Stadt verpflichtet worden war, den seinerzeit gültigen Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 μg/m³ enthält. Zur Senkung der NO2-Belastung sieht der Luftreinhalteplan 10 gesamtstädtisch angelegte Maßnahmenpakete (u.a. Ausbau des ÖPNV, Förderung des Radverkehrs, Flottenmodernisierung Bus und Bahn) und mehrere lokale Einzelmaßnahmen vor. Als lokale Einzelmaßnahme legt der Luftreinhalteplan u.a. eine Durchfahrtsbeschränkung für Pkw und Lkw mit Dieselantrieb mit Ausnahme von Fahrzeugen der Abgasnorm 6/VI in der Max-Brauer-Allee bzw. nur für Lkw in der Stresemannstraße fest.
Von der Festsetzung weiterer Durchfahrtsbeschränkungen insbesondere in den Bereichen Habichtstraße sowie dem Straßenkomplex Högerdamm, Spalding- und Nordkanalstraße hat die Stadt dagegen abgesehen. Der derzeit gültige Luftreinhalteplan geht für diese Straßen von einer Einhaltung der NO2-Grenzwerte spätestens im Jahr 2025 aus. In der Habichtstraße lag die für das Jahr 2019 bis Oktober gemessene Stickstoffdioxidbelastung in der nach Auffassung des Gerichts maßgeblichen Messhöhe von 1,5 m bei durchschnittlich 49,1 μg/m³ sowie in den Jahren 2017 und 2018 im Jahresdurchschnitt bei 58 μg/m³ bzw. 55 μg/m³. Für den Straßenkomplex Högerdamm, Spalding- und Nordkanalstraße liegen keine Messungen vor. Nach dem Luftreinhalteplan ist für das Jahr 2020 eine durchschnittliche Stickstoffdioxidbelastung von 42,2 bis 45,1 μg/m³ für den Straßenkomplex Högerdamm, Spalding- und Nordkanalstraße sowie von 46,7 μg/m³ für die Habichtstraße prognostiziert.
Stresemannstraße, Durchfahrtbeschränkung gemäß Luftreinhalteplan - © Stefan Warda |
Das Oberverwaltungsgericht hat nunmehr entschieden, dass die erneute Fortschreibung geboten ist. Aus den heute veröffentlichten Urteilsgründen geht hervor, dass das Gericht bei seiner Entscheidung aus prozessualen Gründen auf die Prüfung der Verpflichtung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Straßenzüge Habichtstraße sowie Högerdamm, Spalding- und Nordkanalstraße beschränkt war. Es konnte die für seine Bewertung maßgeblichen Prognosen nicht selbst treffen, sondern hatte auf die dem Luftreinhalteplan zugrundeliegenden Prognosen und Gutachten zurückzugreifen. In der Sache hält das Oberverwaltungsgericht den Luftreinhalteplan für unzureichend, weil die bisher festgelegten Maßnahmen nicht sicherstellen, dass die NO2-Grenzwerte an den hier in Rede stehenden Straßen schnellstmöglich eingehalten werden. Insbesondere hat die Stadt rechtswidrig davon abgesehen, das nach den Prognosen des Luftreinhalteplans geeignetste Mittel zur Senkung der NO2‑Belastung, eine Durchfahrtsbeschränkung für Dieselfahrzeuge, festzusetzen. Angesichts des Umstands, dass nach einer fast 10-jährigen Übergangszeit der Immissionsgrenzwert seit dem 1. Januar 2010 zwingend einzuhalten ist, greifen die von der Stadt genannten Gründe für ein Absehen von Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge nicht durch bzw. sind nicht hinreichend konkret dargelegt. Den nachteiligen Auswirkungen von durch Durchfahrtsbeschränkungen hervorgerufenen Verlagerungsverkehren ist primär durch entsprechende Gegenmaßnahmen bzw. zonale Durchfahrtsbeschränkungen zu begegnen.
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts muss die Stadt den Luftreinhalteplan unverzüglich fortschreiben. Bei der Fortschreibung wird sie sowohl streckenbezogene also auch zonale Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge in den Blick zu nehmen haben. Die Erforderlichkeit und Angemessenheit eines bestimmten Verkehrsverbots hängt allerdings von den Ergebnissen der von der Stadt im Zuge der Fortschreibung zu erstellenden Immissionsprognosen auf vollständig aktualisierter Datengrundlage und der Prüfung der verschiedenen Varianten denkbarer Verkehrsbeschränkungen ab. Die Stadt ist zudem verpflichtet, wegen der aus der Natur der Sache folgenden Unsicherheiten weitere Maßnahmen für den Fall festzusetzen, dass sich die Luftschadstoffwerte ungünstiger als im fortzuschreibenden Luftreinhalteplan prognostiziert entwickeln.
Das Gericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung dieses Urteils eingelegt werden.
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Ein Schelm, wer das nun überraschend nennt. Die Stickoxidwert in der Habichtstraße liegen seit Jahren an der Spitze. Eher überraschend, dass es ein grüner Umweltsenator nicht vermochte, das eigentlich Unausweichliche ohne Tritt in den Hintern zu tun. Es ist auf Dauer nicht gut, wenn Gerichte erledigen oder einfordern müssen, was Politker aus bequemlichkeit oder Angst nicht alleine anfassen. Schlimmer läuft es ja eigentlich nur in Bayern, wo die Politiker gerade austesten, ob man sie in Zwangshaft nehmen darf.
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