3. April 2016

Archäologenglück am Millerntor: Weitere verschollene Radwege in ganz Hamburg vermutet

Historical cycle track found at Millerntordamm: More forgotten cycle tracks supposed all over Hamburg
Aktualisiert um 14:30 Uhr

Millerntordamm 2016 - © Stefan Warda


Archäologenfund konnte zeitlich eingeordnet werden

Hamburgize berichtete gestern vom Überraschungsfund eines historischen Radweges am Millerntordamm auf St. Pauli. Ein unter der Grasnarbe versteckter Radweg in einer Breite von 0,7 Metern wurde vom Grabungsexperten ans Tageslicht befördert. Nach internen Recherchen konnte die letzte Freilegung des in Vergessenheit geratenen Radweges am Millerntordamm zuverlässig auf August 2005 datiert werden. Vor fast elf Jahren rückte zum letzten Mal ein Trupp des Bezirksamtes aus, um den damals in ähnlichem Zustand befindlichen Radweg zu retten.


Millerntordamm, Ostern 2016 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda

Millerntordamm 2005 - © Stefan Warda



Fraglich bleibt nun, ob der Radwegfund 2016 wieder komplett freigelegt wird und seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wird. Nach einem entsprechenden Hinweis an das zuständige Bezirksamt Mitte wurde nach Ostern ein kurzes Stück ab Holstenwall wieder freigelegt. Folgt demnächst auch noch der Rest?

Millerntordamm vor zwei Tagen - © Stefan Warda

Millerntordamm vor zwei Tagen - © Stefan Warda

Millerntordamm vor zwei Tagen - © Stefan Warda

Millerntordamm vor zwei Tagen - © Stefan Warda


Erstaunlich ist zudem, wie der Radweg innerhalb von zehn Jahren in Vergessenheit geraten konnte. Werden Radwege in Hamburg nur alle elf Jahre gereinigt, und dann nur auf Anfrage? Wieso verkümmern sogar benutzungspflichtige Radwege auf Breitenmaße, die die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht unbedingt erforderlich machen? Ist das Verkehrsmittel Fahrrad in der "Fahrradstadt Hamburg" etwa immer noch nicht den anderen Verkehrsträgern gleichgestellt? Von halb unter Sandschichten oder Grasnarben versteckten Fahrbahnen ist in Hamburg bislang nichts bekannt. Was für ein Ereignis, wenn alle zehn Jahre auf der Ludwig-Erhard- oder Willy-Brandt-Straße drei von sechs Fahrspuren von einer Grasnarbe, auf der mittlerweile Fußball gespielt wurde, wieder freigelegt würden? Natürlich nur auf Anfrage eines Autofahrers, der unter der Bolzfläche noch drei Fahrspuren vermutet.


Willy-Brandt-Straße: Ob innerhalb von zehn Jahren aich die Hälfte der Fahrbahn unter einer Grasnarbe verschwinden würde analog zum Radweg am Millerntordamm? - © Stefan Warda


Natürlich wachsen Verkehrsflächen nicht relativ zu ihrer Breite in gleichmäßig zu, nein, das Grasnarbenwachstum ist ein stets gleicher Prozess. In zehn Jahren scheinen nur etwa 0,7 Meter erreicht zu werden. Die Willy-Brandt-Straße würde also in zehn Jahren nicht zur Hälfte verlanden, sondern nur jeweils etwa 70 Zentimeter, wenn die Stadtreinigung, die Polizei bzw. die Straßenverkehrsbehörde dies zuließen. Das ist aber eher unwahrscheinlich, wie wir alle wissen. Die "Verkehrssicherheit" wäre dann nicht gewährleistet, würden sogleich besorgte Behördenmitarbeiter einwenden. Diese Verkehrssicherheitsbelange scheinen für Radfahrer aber keine Rolle zu spielen.


Historischer Radweg Millerntordamm kein Einzelfall

Nach dem Radwegfund am Millerntordamm kam der Verdacht auf, dass vermutlich in ganz Hamburg weitere Radwege verschollen sein müssten. Das Grabungsteam machte sich auf die Suche und wurde fündig.



Ludwig-Erhard-Straße
Unweit der Fundstelle am Millerntordamm befindet sich vermutlich ein weiterer Radwegfund unter einer mächtigen Erdschicht verborgen.


Ludwig-Erhard-Straße / Zeughausmarkt 2016 - © Stefan Warda




Maienweg
Besonders rasch wächst der "Radweg" am Mainweg zu. Der im Jahr 2010 neu hergerichtete Radweg bekam einer Breite von 1,25 Metern. Die Hälfte davon, also etwa 0,63 Meter, sind verlandet, also unter einer Grasnarbe versteckt. Falls sich der Bezirk Nord weiterhin nicht um diesen "Radweg" kümmert, wird er in weiteren sechs Jahren vollkommen verschwunden sein.  Im Jahr 2022 wird der Bezirk vermutlich wieder auf Antrag einiger "fahrradfreundlicher Politiker" einen ganz "neuen Radweg" lassen - welch eine Freude.


Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2010 - © Stefan Warda

Maienweg 2004 - © Stefan Warda

Maienweg 2016 - © Stefan Warda

Maienweg 2007 - © Stefan Warda



Lokstedter Steindamm
Am Lokstedter Steindamm sind vom ursprünglich 1,5 Meter breiten Radweg 0,5 bis 0,75 Meter verloren gegangen.

Lokstedter Steindamm 2015 - © Stefan Warda

Lokstedter Steindamm 2015 - © Stefan Warda




Friedrich-Ebert-Damm
Ein besonders trauriges Beispiel ist der "Radweg" entlang des Friedrich-Ebert-Damms. Dieser ist benutzungspflichtig, leider nur 1,6 Meter breit und dennoch für den Zweirichtungsverkehr vorgesehen. Ein ordnungsgemäßer Begegnungsfall ist auf diesem "Radweg" überhaupt nicht möglich, ohne in das Lichtraumprofil des Gehweges zu geraten. Die unter Grasnarbe und Laubschicht verschollenen Radwegflächen brandmarken die "Fahrradstadt Hamburg" zusätzlich als besonders radverkehrsunfreundlich. Entlang des Friedrich-Ebert-Damms verläuft bzw. verlief Hamburgs erste Veloroute von Wandsbek nach Duvenstedt.


Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda

Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda

Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda

Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda

Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda

Friedrich-Ebert-Damm 2016 - © Stefan Warda


Vermutlich schlummern noch viele weitere "Radwege" unter Grasnarben, Gebüsch und anderen Biotopen und warten auf eine Freilegung. Zweifelsohne zählt die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation auch alle verschollenen Radwege zusammen mit Radfahrstreifen und anderem zum "Hamburger Radwegenetz", das eine Länge von rund 1700 Kilometern haben soll.



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2 Kommentare:

  1. Wenn Ihr keinen Finderlohn verlangt, dürft Ihr die unter Gras (oder geduldeten Parkplätzen) verlorenen Radwege der Polizei (als Straßenverkehrsbehörde) melden.

    Schreibt dabei aber gleich noch einen Antrag auf Aufhebung der Benutzungspflicht für den Fall, daß nicht unverzüglich saniert wird (oder was immer auch sinnvoll ist, um den Radweg frei zu bekommen). Weist dabei einfach mal auf § 75 VwGO hin (Untätigkeitsklage nach 3 Monaten grundloser Untätigkeit). Dann könnte es sein, daß die Radwege noch im Sommer ausgebuddelt bzw. freigeschleppt werden. Denn die Polizei lernt gerade am Beispiel Alsterkrugchaussee blutig, daß man sogar mit der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht unbegrenzt Katz und Maus spielen kann.

    Weist schon im Antrag auf die VwV-StVO zu § 2, Rn. 14f. und auf die Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik Heft V 184 „Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern“, Bergisch Gladbach, Juni 2009, Kapitel 9.1.2 hin. Dann weiß die Polizei schon, daß die Hütte brennt. Der Hinweis auf die VwV-StVO zu § 2, Rn. 14f. dient der sachgerechten Bearbeitung der Anträge und Hinweis auf die Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik Heft V 184 der der Beantwortung der Frage, wozu Benutzungspflichten eigentlich gut sind (zu nichts nämlich - insbesondere, wenn die Radwege blockiert sind).

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    1. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik Heft V 184 „Unfallri-siko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern“, Bergisch Gladbach, Juni 2009, aus Ka-pitel 9.1.2, Seite 107f.

      zu finden unter:
      bast.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2011/253/pdf/V184.pdf

      VwGG § 75 zu finden unter:

      https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__75.html

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