Mysterious Critical Mass
Aktualisiert am 02.10.2013
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Etwa dreißig Kilometer lang war die abendliche Ausfahrt mit der Critical Mass |
Einmal im Monat an einem Freitag abend finden an einem bestimmten Ort in Hamburg um die dreitausend Radfahrer zusammen. Vorgestern war dieser bestimmte Ort an den Magellan-Terrassen in der Hafencity. Schon auf dem Weg Richtung Hafencity gab es ungewöhnlich viele Radler auf den schmalen Radwegchen. Nach und nach trafen immer mehr Radler in der Hafencity ein, begutachteten die zahlreichen unterschiedlichst individuellen Räder, hier und da hatten einige für musikalische Untermalung des Abends gesorgt. Wie auf ein geheimes Zeichen begannen nach etwa zwanzig Minuten nach und nach quer durch die Menge Fahrradglocken zu läuten, zahlreiche Radler reckten ihre Räder in den Himmel. Die vielen Grüppchen, die vorher auf den Magellan-Terrassen lagerten und der untergehenden Sonne über der Elbe zuschauten, packten ihre Räder und es bildete sich ein langer Tross Radfahrer, der sich allmählich in Richtung Sandtorkai in Bewegung setzte.Von der Kehrwiederstegbrücke hatte es einen guten Blick über die kritische Masse, die sich zusammengefunden hatte.
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Unterwegs zur Critical Mass |
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Sammeln an den Magellan-Terrassen |
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Blick von der Kehrwiederstegbrücke |
Laut Mitradelnder sollen vorgestern
2.500 Radler quasi rein zufällig die Idee gehabt haben gemensam in die gleiche Richtung durch die Stadt zu fahren. Und bei dieser großen Zahl gemeinsam Radelnder gibt es bestimmte
Spielregeln: Radwege und gemeinsame Geh- und Radwege müssen nicht benutzt werden, der Tross darf als ganzes über signalisierte Kreuzungen fahren. Für den Querverkehr bedeutet dies sich entspannt zurücklegen, für einige Minuten den Motor abstellen und die Pause im hektischen Abendverkehr geniessen. Nicht jeder motorisierte Verkehrsteilnehmer nahm gestern die nicht eingeplante Pause gelassen, so manches Mal waren hilfsbereite Mitradelnde dabei und halfen deeskalierend einzugreifen.
Verhaltenshinweise für entsprechende Situationen finden sich in den sozialen Medien. Freundlicherweise begleitete die Polizei mit mehreren Motorrädern die Critical Mass und half an größeren Kreuzungen den Querverkehr abzuriegeln. Auch bei kleineren Reibereien mit Autofahrenden, die sich in die Critical Mass drängeln wollten, war die Polizei Dank der Motorräder schnell vor Ort und besänftigte professionell erhitzte Gemüter.
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"Corken": Die CM lebt durch Eigenverantwortung und Gemeinsinn |
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Freundliche Begleiter |
Im August und im Juli diesen Jahres sollen sogar mehr als dreitausend Radfahrer die kritische Menge gebildet haben. Was reizt so viele Radfahrer in Hamburg an der Critical Mass teilzunehmen? Hamburg hat die höchsten Critcal Mass-Teilnehmerzahlen in Deutschland. In
Köln waren es im August um die dreihundert Radler, in
Stuttgart (dort wird der Fahrtverlauf vorher angekündigt - ist das eine Critical Mass?) neunzig, in
Bremen waren es achtzig, in
Düsseldorf siebzig, in
Wuppertal dreißig, in
München 25, in
Mainz 23, im Juli hatte es in
Nürnberg dreihundert bis vierhundert Teilnehmende. Klappt in Hamburg die
Verständigung besser? Ist die
Internetseite ansprechender? Haben sich die richtigeren Leute gefunden? Haben die Hamburger mehr Spaß als anderswo oder ist der Leidensdruck als Radfahrer im Alltagsverkehr in Hamburg ein besonderer? Irgendetwas muss es schließlich sein, dass monatlich nahezu gleich viele Radler zusammenfinden wie einmal jährlich zur "großen" Hamburger
Fahrradsternfahrt, der offiziell angemeldeten Demonstration für besseren Radverkehr in Hamburg.
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Kurt-Schumacher-Allee |
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Deichtortunnel |
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Deichtortunnel |
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Nordkanalbrücke |
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Altmannbrücke |
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Steintorwall |
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An der Alster |
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Drosselstraße |
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Fuhle |
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Ballindamm |
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Ballindamm |
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Hoheluftchaussee |
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City-Nord |
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City-Nord |
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Grindelallee |
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Holstenglacis |
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Holstenglacis |
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Fuhle |
Es ist schon etwas besonderes mit mehreren tausend Gleichgesinnten auf dem Rad mitten auf der Straße die Stadt zu erleben - und seien dies lediglich Verbündete für das einzige Ziel, gemeinsam entspannt und vergnügt durch die Stadt zu radeln oder zu boarden. Kaum ein Warten an Ampeln, keine hoppeligen "Radwege", keine störenden Fußgänger und - ja - auch keine nervenden Geisterradler. Es war schön zu erleben, wie Mitradelnde mitdachten und quasi wie "Ordner" gegenseitig auf sichere und freie Fahrt an Kreuzungen achteten. Wer statt Stop-and-go auf kümmerlichen "Radwegen" bequem mitten auf den Straßen durch die Stadt rauscht der erfreut sich tatsächlich eines besonderen Wir-Gefühls:
Wir blockieren nicht den Verkehr. Wir sind der Verkehr. Wären die "Radwege" nicht so armselig wie in Hamburg, gäbe es breite Radwege wie in
Kopenhagen, dann hätte es jeden Tag
Critical Mass auf breiten angenehmen Radwegen und Radfahrstreifen, auf denen Radfahrer zwei-, drei- und vierspurig nebeneinander führen und viel Spaß dabei hätten.
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Radweg in Kopenhagen |
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Keine Demo, nur Radfahren in Kopenhagen |
Mehr . . . /
Mehr . . . :
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Super schöner Artikel, trifft eigentlich den Nagel auf den Kopf.
AntwortenLöschenNur die Strecke für die, die nach dem Fernsehturm weitergefahren sind, stimmt nicht mit der auf der Karte überein: vom Telemichel an den Gerichten vorbei, Laeiszhalle vorbei, Gänsemarkt, ein 2. Mal Jungfernstieg, Ballindamm, Wallringtunnel (wurde schon von einigen vermisst ;) ), Kurt-Schumacher-Allee, Budapester Str., Schanze. Wir sind also noch ein ganzes Stückchen gefahren :)
Da ich nicht bis zum allerletzten Ende mitgefahren bin habe ich in der Karte den Fahrtverlauf ab Messeplatz gestrichelt angegeben - mit offenem Ende (Pfeilirichtung). Die Pfeilrichtung zur Innenstadt stimmt doch allerdings (Richtung Sievekingplatz). Und wie ich später, nach ich die Kartengrundlage schon fertig hatte, erfahren hatte, dass die Schulterblatt-Piazza das absolute Ende war, wollte ich die Karte nicht komplett neu zusammenbauen. Die Rote Flora ist leider nicht mehr drauf ;-)
AntwortenLöschenZur Ehrenrettung der Fahrradsternfahrt Hamburg sei erwähnt, dass da 2013 um die 6.500 Radler mitfuhren. Allein über die Köhlbrandbrücke fahren so viele Leute, wie die CM in Hamburg in der Spitze mitfuhren. Und die Sternfahrt sieht sich nicht in Konkurrenz zu CM, sondern wirbt für sie. Siehe z. B. http://bilder.helmuts-fahrrad-seiten.de/Radtouren/Fahrrad-Sternfahrt%20Hamburg%202009/slides/Fahrradsternfahrt%20Hamburg%20155.html
AntwortenLöschenGenauso haben wir bei der Sternfahrt massiv für die CM geworben. Die Sternfahrt hat als Argument für sich die Köhlbrandbrücke. Da fährt die CM bewusst nicht, weil man (offiziell sich als Teil des Verkehrs sieht- Verband nach § 27 StVO, und anders als die Sternfahrt eben gerade nicht als Sondernutzung oder Demonstration.
AntwortenLöschenIch bin bei beidem gerne mitgefahren. Die CM ist "jünger" und lockerer. Ich finde persönlich, dass das Sternfahrt-Organisationsbündnis gut daran tun würde, etwas weniger "Müslimäßig" aufzutreten. Nicht immer die staatstragende Klimakeule, sondern auf die wirklichen Vorteile des Rads für Alltagsradler hinweisen (schneller, gesünder, günstiger. Ich fahre nicht Rad weil es so toll klimafreundlich ist, sondern weil es Spaß macht, günstig ist und ich schneller bei der Arbeit bin. Nirgendwo sonst kann ich schon bei der Anfahrt und Nach Hausefahrt entspannen (naja jedenfalls wäre das schön, wenn ich das könnte, denn leider ist es in Hamburg ja damit nicht so weit her.
Jemand sagte mal - die Sternfahrt hat mehr Helme, die CM mehr Bier. Nützlich sind beide, und ihr Anliegen ist beide Male das gleiche: Die Bevölkerung ist schon viel weiter als der Senat, insbesondere als der Senator.
Ich habe diesen Beitrag übrigens bei Facebook in der CM Diskussionsgruppe verlinkt. Er kam dort sehr gut an, daher an der Stelle auch von mir noch einmal vielen Dank für diesen schönen Artikel.
Michael S.
Sehr coole Sache.
AntwortenLöschenBeim nächsten Mal bin ich mit dabei.
Freunde von mir machen das seit einigen Monaten in Oldenburg (Niedersachsen). Dort steigt die Zahl jedes Mal.
Viele Grüße
Wirklich schöner Artikel, danke dafür. Mal sehen, ob ich meinen Vorsatz, bei der örtlichen CM demnächst mal mitzuradeln, umsetzen kann.
AntwortenLöschenAber ich finde, Kopenhagen wird überbewertet. Oft geht es dort wegen der extrem vielen Radfahrer ganz schön eng zu und ich persönlich empfinde es nicht als entspannend, im Pulk zu fahren. Dennoch ist die Infrastruktur dort um Längen besser als hier.
Ulrike