16. Februar 2021

Hamburg: Elbchaussee soll abschnittsweise Radwege nach Kopenhagener Vorbild erhalten

Hamburg: Copenhagen style cycle tracks planned at Elbchaussee

Aktualisiert um 19:43 Uhr

Planung Elbchaussee - © Visualisierung LSBG

 

Die Behörde für Mobilitätswende veröffentlichte gestern die überarbeitete Planung für den Umbau der Elbchaussee. Demnach sollen statt der bislang geplanten Radfahrstreifen und Schutzstreifen abschnittsweise Radwege nach Kopenhagener Vorbild und Abschnitte mit Piktogrammketten zur Anwendung kommen. Die Elbchausse wäre damit die erste Straße Hamburgs, an der Radwege nach Kopenhagener Design gebaut würden. Die Radwege sollen je nach Straßenbreite 1,85 bis 2,2 Meter beit werden. 

Zuvor sollte es im bislang überplanten Abschnitt zwischen Hohenzollernring und Manteuffelstraße einen Mix aus Abschnitten mit Tempo 30 ohne Radverkehrsanlagen, Schutzstreifen und Radfahrstreifen geben. Im Rahmen des mehrstufigen Beteiligungsverfahren regte sich jedoch weiterhin Unmut über die geplanten Maßnahmen. Bislang hat es dort keinerlei Radverkehrsanlagen. Lediglich das Radeln bei Schritttempo auf manchen Gehwegabschnitten ist bislang erlaubt. 

 

Elbchaussee: erlaubtes Gehwegradeln - © Stefan Warda

Elbchaussee: erlaubtes Gehwegradeln - © Stefan Warda

Elbchaussee: Wildparken auf dem Gehweg, der für Radfahrende freigegeben ist - © Stefan Warda

 

Die Elbchaussee erfüllt leider nicht die Voraussetzungen, auf durchgehender Länge beidseitig regelkonforme Radverkehrsanlagen (Radwege oder Radfahrstreifen) nach Standardbreiten, daneben Gehwege und zugleich insgesamt noch zwei Fahrspuren bereitzuhalten. Dafür müssten Grundstücke der angrenzenden Villen hinzugezogen werden. Die notwendige Grundinstandsetzung der Straßen inklusive Erneuerung des Sielsystems und der Gasleitungen ermöglicht jedoch die Chance, im Rahmen des Umbau Verbesserungen für Radfahrende gegenüber dem heutigen Zustand zu realisieren.

Grundsätzlich wird offenbar angestrebt, Radwege nach Kopenhagener Vorbild auf beiden Seiten anzulegen. Wo dies wegen des beengten Straßenraums nicht möglich sei, solle es laut Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks wenigstens einseitig den "Kopenhagener Radweg" geben. Dort, wo der Straßenraum nicht breit genug sei, um diese auf beiden Seiten anzulegen, werde der Radverkehr auf der Straße fahren.

"Dort, wo die Kopenhagener Radwege wegen des begrenzten Straßenraums nur auf einer Straßenseite gebaut werden können, werden wir mit einer durchgehenden Piktogrammkette sicherstellen, dass allen klar und transparent ist: Hier teilen sich Rad- und Autoverkehr den Platz auf der Straße. Wir haben dabei aus Sicherheits- und Komfortgründen darauf geachtet, dass der Radverkehr soweit möglich bergauf über Kopenhagener Radwege geführt wird und bergab auf der Straße fährt."

 

Kopenhagener Radwege

Kopenhagen hat im Vergleich zu Hamburg eine vollkommen andere Radwegebaukultur. Prinzipiell gibt es Radwege oder aber keine. Dann müssen Radfahrende die Fahrbahn benutzen. Falls Radwege angelegt sind, sind diese fast ausnahmslos auf beiden Straßenseiten angelegt. Radwege sind grundsätzlich so breit, dass Radfahrende sich (mit Cargobikes) gegenseitig überholen oder nebeneinander radeln können. Auf wichtigen Hauptrouten, beispielsweise entlang der Radschnellwege, wurden in den letzten Jahren im bestehenden Straßennetz Radwege, auf denen bislang nebeneinander geradelt werden könnte, noch verbreitert, um sogar dreispurig nebeneinander radeln zu können (PLUS-Netz). Dafür entfielen weitere Stehzeugeplätze, Busspuren oder andere Fahrspuren. 

 

Kopenhagen, Amagerbrogade - © Stefan Warda

Kopenhagen, Nørrebrogade - © Stefan Warda
 

Kopenhagen, Dronning Louises Bro - © Stefan Warda

Kopenhagen, Amagerbrogade - © Stefan Warda

 

 

Radwegebreiten (Angaben aus CYKELFOKUS, Københavns Kommunes, 2013) für straßenbegleitende Einrichtungsradwege:

  • Standardbreite eines PLUS-Netz-Radweges: 3 Meter (mindestens jedoch 2,8 Meter)
  • Standardbreite anderer Kopenhagener Radwege: 2,5  Meter (mindestens jedoch 2,2 Meter, in Ausnahmefällen 1,7 Meter)

Die Radwege sind mit einer Bordkante zur Fahrbahn abgesetzt, nach rechts gibt es eine weitere Bordkante zum Gehweg. Diese verhindert, dass Radfahrende auf Gehwege ausweichen und signalisiert den Gehwegen deutlich den anderen Verkehrsraum. An Kreuzungen sind Wartebereiche für Radfahrende vorgehalten bzw. gesonderte Spuren für abbiegende Radfahrende eingerichtet. Blaue Markierungen führen Radfahrende direkt - ohne Verschwenkungen - über Kreuzungen. Bei untergeordneten Straßen werden Rad- und Gehwege baulich durchgezogen. Für Radfahrende auf Radwegen und Radfahrstreifen gibt es gesonderte Lichtsignale - getrennt vom Fußverkehr. Radwege haben eine eigene Entwässerung und werden im Winter mit Priorität geräumt und gesalzen (Kopenhagener Radwege sind für den Einsatz von Winterdienstfahrzeugen geeignet).


Kopenhagen, Amagerbrogade: Aufstellbereiche für wartende Radfahrende - © Stefan Warda

Kopenhagen, Tagensvej - © Stefan Warda

Kopenhagen, Søtorvet: blaue Markierung über Kreuzungen - © Stefan Warda


In Kopenhagen gibt es keine Schutzstreifen und keine straßenbegleitenden gemeinsamen Geh- und Radwege. Radfahrstreifen sind vorhanden, jedoch nur wenige Kilometer im Verhältnis zu den Radwegen. 

 

Kopenhagen: Radverkehr an Engstellen

Auch in Kopenhagen gibt es sehr enge Straßenräume (ähnlich der Elbchaussee), durch die nicht zwei Autofahrspuren mit beidseitigen Rad- und Gehwegen angelegt werden können. So gibt es beispielsweise im Verlauf eines Radschnellweg (Supercycelstier, Route C94) im Verlauf einer zweispurigen Straße mit hohem Buslinienverkehr keinerlei Radverkehrsanlagen - abgesehen von Piktogrammketten ähnlich denen, die auf der Elbchaussee geplant sind. Der gravierende Unterschied zwischen Kopenhagen und Hamburg ist jedoch folgender: Im Zweifelsfall gibt es in Kopenhagen beidseitig Radwege, dafür jedoch keinen Platz für Stehzeuge.

 

Piktogrammkette in Kopenhagen

 

Kopenhagen, C94 in Kingosgade: Piktogrammkette im Verlauf des "Radschnellweg" - © Stefan Warda

Kopenhagen, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade - © Stefan Warda

Kopenhagen, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: Piktogrammkette - © Stefan Warda

Kopenhagen, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: Piktogrammkette - © Stefan Warda

Kopenhagen, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: Piktogrammkette (links das Ende des Radwegs, rechts der Beginn eines Radwegs) - © Stefan Warda

Frederiksberg, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: nahendes Radwegende - © Stefan Warda

Frederiksberg, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: nahendes Radwegende - © Stefan Warda

Frederiksberg, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: Radwegende - © Stefan Warda

Frederiksberg, "Radschnellweg" C94 in Kingosgade: Radwegende - © Stefan Warda


Andere Engstellen in Kopenhagen


Kopenhagen, Vesterbrogade: Beidseitig Radwege in abweichender Breite von nur 2 Metern - © Stefan Warda


Kopenhagen, Vesterbrogade: Trotz Engstelle immerhin beidseitig Radwege in abweichender Breite von nur 2 Metern - © Stefan Warda


Kopenhagen, Vesterbrogade: Trotz des engen Straßenraums ausreichend breite Radwege zu beiden Seiten - © Stefan Warda

Kopenhagen, Amagerbrogade: Trotz des engen Straßenraums ausreichend breite Radwege zu beiden Seiten - © Stefan Warda

Kopenhagen, Amagerbrogade: Trotz des engen Straßenraums ausreichend breite Radwege zu beiden Seiten - © Stefan Warda

Kopenhagen, Amagerbrogade: Trotz des engen Straßenraums ausreichend breite Radwege zu beiden Seiten und eine Bushaltestelle mit Wartebereich - © Stefan Warda



Kopenhagener Radwege für die Elbchaussee?

Im Gegensatz zu Kopenhagen hat es in Hamburg neben der anderen Radwegebaukultur auch eine andere Verkehrskultur. Generell läuft der Straßenverkehr in Deutschland oder Hamburg undisziplinierter ab, was vor allem auch an den deutlich geringeren Bußgeldern liegen mag. Ob die physische Trennung der geplanten Radwege mittels einer Bordkante entlang der Elbchaussee Wildparkende abhalten mag, die an Wochenenden mit Autos die Strandperle bzw. in Teufelsbrück den Elbwanderweg besuchen wollen, bleibt abzuwarten. Und hoffentlich laden die geplanten Kopenhagener Radwege, die nur einseitig angelegt werden, nicht auch noch die in Hamburg stark vertretenden Geisterradelnde an. 

 

Kopenhagen, Vindebrogade: Ähnlich wie dort gäbe es an der Elbchaussee zukünftig Radwege ohne begleitende Gehwege - © Stefan Warda

 

Mit einer ganz anderen Problematik werden Radfahrende konfrontiert werden, wenn sie das Ende eines der geplanten Radwegstücke erreichen werden und sich auf die Fahrbahn einfädeln müssen. Es wird viel davon abhängen, wie gut diese Übergänge angelegt sein werden. Der ADFC kritisiert weiterhin die Planung für den Umbau der Elbchaussee, weil sie nicht für Radfahrende von 8 bis 88 geeignet sei. Die Linke wünscht sich wegen der Abschnitte, auf denen Radfahrende zukünftig weiterhin die Fahrbahn benutzen müssen, Tempo 30 statt bislang noch Tempo 50.


Piktogrammkette

Die zur Anwendung kommende Piktogrammkette gibt es in Hamburg bislang schon in ähnlicher Form auf der Georg-Wilhelm-Straße zwischen Mengestraße und Pollhornweg. Sie ist das Überbleibsel eines früheren Schutzstreifens, gegen den ein Anlieger geklagt hatte. 2017 wurde die Stadt Mainz für die Piktogrammkette mit dem "Deutschen Fahrradpreis" ausgezeichnet.


Veloroute 11, Georg-Wilhelm-Straße: Piktogrammkette (zuvor Schutzstreifen) - © Stefan Warda

Mainz, Große Bleiche: Piktogrammkette und Tempo 30 nach Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht - © Stefan Warda

 

In Mainz hatten sich bis vor wenigen Jahren noch viele regelwidrig angeordnete Radwegbenutzungspflichten gehalten. Erst vor zwei Jahren wurde die Radwegbenutzungspflicht für die Fakeradwege entlang der Großen Bleiche im Stadtzentrum aufgehoben. Seitdem gilt Tempo 30. Für Radfahrende würden Piktogrammketten auf der Fahrbahn aufgetragen. Tempo 30, bald auch für die Elbchaussee?


Planung Elbchaussee - © Visualisierung LSBG


Hamburg hatte bislang mehrere Chancen verpasst, zumindest als Verkehrsversuch Radwege nach Kopenhagener Vorbils anzulegen. Ein geeigneter Rahmen wäre die IBA in Wilhelmsburg gewesen, aber auch für den Umbau der Osterstraße hätten Kopenhagener Radwege bei der Planung als Beispiel vorgestellt werden können. Nun aber dürfte es keine Hindernisse mehr geben, diesen Radwegtyp auch an anderer Stelle als der Elbchaussee zum Einsatz zu bringen - ohne durch Piktogrammketten geflickte Lücken.




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1 Kommentar:

  1. Nun dauert der Bau ja noch Jahre - Zeit, die der Verkehrssenator dazu verwenden sollte, zu planen, wie man in der Elbchaussee wirklich Kopenhagener Verhältnisse herstellt. Wenn da Abschnitte verbleiben, die Radfahrer nicht nutzen mögen (Fahrbahnnutzung oder gemeinsame Geh- und Radwege oder zu schmale "Schutzstreifen", auf denen Radfahrer von Lkw zu eng überholt werden), wird es keinen Radverkehr in so nennenswertem Umfang geben, dass die tollen Kopenhagener Verhältnisse in einigen Abschnitten wirklich genutzt werden und gerechtfertigt werden können. Und dann fällt dem Senator (und seiner Partei) diese Planung auf die Füße. Ich sehe schon die Mopo-Schlagzeile "Autofahrer behindert für leere Radwege", Unterzeile: "Grüne Verbotspolitiker machen die Elbchaussee kaputt", Erste Zeile: "Die Immobilienpreise in der Elbchaussee explodieren, nachdem die Grünen die Vorgärten der Superreichen entlärmten. xxx (Immobilienmakler bei GuB) sagt: "An die Grundstückspreise können Sie in der Elbchaussee jetzt eine Null ranhängen. Dafür läuft es in Blankenese jetzt eher gemischt. Seit Altona und die Innenstadt mehr als eine Stunde mit dem Auto entfernt sind, kaufen da nur noch reiche Rentner Häuser.". Bild dazu: Leerer breiter Radweg auf der Elbchaussee.

    Vielleicht würde es helfen, auch den entweder Nordseeradweg oder den Elberadweg in die Elbchaussee zu verlegen. Zu gucken gibt es da auch sehr viel. Und wenn nur einer der Radwege verlegt wird, gibt es die Wahl und die Beschilderung auch der Strecke am Ufer bleibt erhalten.

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