Zweirichtungsradweg Kennedybrücke - ca. 8000 Radfahrer pro Tag |
Das Winterwetter offenbart heute wieder ziemlich gut den Status des Radverkehrs in Hamburg. Es wird viel angekündigt, aber davon wenig eingehalten. So wie die angekündigten Räumungen auf vielen Kilometern Velorouten, Radwegen, Radfahrstreifen und Tempo 30-Zonen nicht eingehalten werden, so steht es auch insgesamt um Hamburgs Radverkehrsstrategie. Bis 2015 sollte ursprünglich ein komplettes Netz von Velorouten in Hamburg gesponnen sein - 280 Kilometer breit ausgebaute und zügig befahrbare Komfortpisten für Hamburgs Alltagsradler. Auch sollte bis dahin der Radverkehrsanteil auf 18% gesteigert worden sein. Beides Ziele der Radverkehrsstrategie für Hamburg, zu der sich 2007 sowohl die CDU, als auch GAL/Grüne und SPD verpflichtet hatten. Doch aus der für den Radverkehr zuständigen Wirtschaftsbehörde heißt es verklausuliert, dass die Ziele nur erreicht werden, wenn dazu die Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Bereitschaft die Mittel für die Planerfüllung der Radverkehrsstrategie zur Verfügung zu stellen steht derzeit aus. Wozu braucht es dann eigentlich eine Strategie?
Die Stadt Berlin hat das gleiche Problem wie Hamburg. Auch dort hakt es mit der Radverkehrsstrategie. Berlin hatte es nicht geschafft die Ziele der ersten Radverkehrsstrategie jemals zu erfüllen. Eine Senatsanfrage des grünen Politikers Stefan Gelbhaar offenbarte das eklatante Missverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Zu Beginn des laufenden Monats hatte die Stadt Berlin nach Ablauf der ersten Radverkehrsstrategie von 2004 den Entwurf einer Fortsetzungsstrategie vorgestellt. Doch es ist absehbar, dass auch das neue Papier mehr für das gute Gewissen von heute als für die Zukunft ist. Die vielen guten Absichten sind nicht mit dem notwendigen Budget unterfüttert. Berlin wird vermutlich auch die Ziele der zweiten Radverkehrsstrategie verfehlen. Wozu braucht es solche Radverkehrsstrategien? Ein Leser des Berliner Tagesspiegels hat es besonders treffend in einem Kommentar zusammengefasst, der auch auf das Hamburger Dilemma zutreffend ist:
Studien zu beauftragen, Sachlagen zu erkennen, Güter abzuwägen ist das eine, Wege aufzeigen, Mehrheiten einwerben, Entscheidungen erklären das andere. Am besten man brüstet sich mit schönen Projektideen und belässt alles beim alten. So entspricht man den Hoffnungen auf Veränderung und bedient das Beharren auf Altem, keiner ist enttäuscht.
In den kommenden Tagen wird der zweite Fortschrittsbericht zur Radverkehrsstrategie für Hamburg erwartet. Vermutlich wird Kapitel für Kapitel abgearbeitet worden sein, wie erfolgreich die Stadt Hamburg mit ihrer Radverkehrsförderung gewesen sei. Doch genausowenig, wie die Stadt überpüft, ob der angeblich ausgeführte Winterdienst gemäß des festgelegten Wegenetzes überhaupt funktioniert, genauso wird der neue Fortschrittsbericht zur Radverkehrsstrategie sicherlich mit Zahlen und angeblichen Taten versuchen zu glänzen, die tatsächlich wenig wirksam sind. Es hat in Hamburg schließlich Tradition unbenutzbare "Radwege" zusammenzuzählen zu einem angeblichen "Radwegenetz". Zumindest auf dem Papier und in den Statistiken passt das virtuelle Radwegenetz gut, um als Grundlage für Bewerbungen um "Umwelthauptstadt"-Titel zu dienen oder für einen Platz in Publikationen wie dem German Green City Index. Der Fortschrittsbericht oder gar die gesamte Radverkehrsstrategie also ein Marketing-Gag?
"Geräumter" Radweg Karolinenstraße heute |
"Geräumter" Radweg Karolinenstraße am letzten Freitag vor dem erneuten Schneefall und nach längerer Tauperiode |
Zumindest ist der heutige Tag einer von denen, die Hamburg als das krasse Gegenteil einer Fahrradstadt präsentieren. Kaum ein Radfahrer war zu sehen, ganz im Gegensatz dazu während der frühlingshaften Tagen vor zehn Tagen oder während eines Winterwettertags in der Fahrradstadt Kopenhagen. Hamburgs Winterdienst funktioniert nicht, und damit auch nicht die Radverkehrsstrategie für Hamburg. Immerhin gut gemeint, aber nicht gut gemacht.
Ausschnitt aus dem virtuellen Winterdienstnetz für Hamburgs Radverkehr (Quelle: FHH) |
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Hamburgs Winterdienst
Radverkehrsstrategie Berlin
- Berlin dreht am Rad - aber richtig? (Der Tagesspiegel, 08.03.2013)
- Senat will Berliner und Touristen aufs Fahrrad locken (Der Tagesspiegel, 06.03.2013)
- Radwege für Tempo 25 (Berliner Zeitung, 05.03.2013)
- Senat stellt neue Radverkehrsstrategie für Berlin vor (Rad-Spannerei, 06.03.2013)
- Radverkehrsstrategie: Gute Ziele setzen sich nicht selber um! (Stefan Gelbhaar, 05.03.2013)
- Senat strebt neue Radverkehrsstrategie in Berlin an (Rad-Spannerei, 18.01.2013)
- Wo und warum hakt es bei der neuen Radverkehrsstrategie - Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (Berliner Abgeordnetenhaus, Drucksache 17/11 200)
Radverkehrsstrategie Hamburg
- Warten auf die Fahrrad-Schnellstrecken (Hamburger Abendblatt, 18.03.2013)
- Das lange Warten auf die Rad-Revolution (WELT, 18.03.2013)
- Geplantes Veloroutennetz (WELT, 18.03.2013)
Nicht geräumte Radwege sind für mich persönlich optimal, weil ich dann Rechtssicherheit beim Fahren auf der Fahrbahn habe.
AntwortenLöschenDie ganze Diskussion um nicht geräumte Radwege macht einmal mehr deutlich, dass Radwege nicht nur wesentlich unfallträchtiger sind, als das Fahrbahnradeln, sondern auch regelmäßig, aus den unterschiedlichsten Gründen, unbenutzbar sind.
Die "geräumten" Radwege an der Hamburger Straße waren gestern auch nicht durchgängig befahrbar. Immer wieder zwischendurch ein Schneehaufen quer über den Radweg. Eine ganze Reihe Autos, die beim Parken auf dem Schnee zu weit nach vorn gefahren sind und den halben Radweg blockiert haben usw.
AntwortenLöschenIch bin teilweise auf dem Radweg gefahren, dann aber doch auf die Fahrbahn gewechselt, da es einfach nicht möglich war auf dem (benutzungspflichtigen)Radweg zu fahren.