21. Mai 2021

Hamburg plant statt Radschnellwegen Fahrradboulevards-für-ein-nicht-ganz-so-schnelles-Tempo

Hamburg to have cycle boulevards instead of fast cycle routes

Aktualisiert am 22.05.2021

Radschnellwegenetz für Hamburg - © Behörde für Verkehr und Mobilitätswende


Gestern stellte die Mobilitätswendebehörde den Stand der Machbarkeitsstudien für das Radschnellwegenetz von Hamburg in die Metropolregion vor. Auf insgesamt 300 Kilometern sollen Radschnellwege zukünftig in alle Himmelsrichtungen aus und in die Metropolregion führen und damit die Mobilitätswende unterstützen.

Die Zielpunkte der sieben auf Hamburg zulaufenden Radschnellwege liegen in Bad Bramstedt, Ahrensburg, Geesthacht, Lüneburg, Stade, Elmshorn und perspektivisch Tostedt. Sie sollen sich auszeichnen durch eine besondere Breite, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen, aber vor allem auch durch nur sehr wenige Kreuzungen und Ampeln. Dadurch sollen Radfahrende von unterschiedlicher Geschwindigkeit jeweils deutlich schneller und komfortabler als bisher auch mittellange Strecken bewältigen können. Die Machbarkeitsstudien zu den einzelnen Strecken werden im Rahmen eines Leitprojekts der Metropolregion erarbeitet, an dem sich Hamburg aktiv beteiligt. Sie befinden sich aktuell kurz vor der Fertigstellung, das Projekt wird länderübergreifend von 13 Kooperationspartnern umgesetzt.

Im Rahmen der Machbarkeitsstudien werden die Routen von insgesamt neun Radschnellwegen geklärt, sieben davon mit Zulauf auf Hamburg. Die Machbarkeitsstudien werden zu 80 Prozent von der Metropolregion Hamburg gefördert und sprechen gutachterliche Empfehlungen dafür aus, was auf den einzelnen Abschnitten getan werden müsste, um sie umzusetzen. Sie sind noch keine Verkehrsplanungen, schaffen aber die Grundlage dafür, um nun in die Detailplanungen und den Bau einsteigen zu können.

Radschnellwege in Hamburg?

Die jetzigen Planungen sehen nur in Einzelfällen vor, dass die aus dem Umland führenden zukünftigen Radschnellwege das Hamburger Zentrum erreichen werden. Vielmehr sollen sie laut Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks in der Regel am Stadtrand an das bestehende oder zukünftige Veloroutennetz angeschlossen werden. 

"In Hamburg selbst werden wir dafür sorgen, dass die Radschnellwege sich sehr gut mit unserem weitgehend fertiggestellten Veloroutennetz ergänzen und fließend ineinander übergehen: Jeder einzelne in Hamburg ankommende Radschnellweg erhält einen Anschluss an eine Hamburger Veloroute. Einige Radschnellwege können wir sogar im Radschnellwegstandard bis in die Innenstadt bauen. Die ersten Abschnitte werden dieses Jahr in die Umsetzung gehen."

Besonders interessant dürfte der geplante Radschnellweg auf der Trasse einer früheren Bahnstrecke sein. Die Vorzugstrasse für den zukünftigen Radschnellweg aus Richtung Bad Bramstedt ist auf der Trasse der ehemaligen Güterbahn neben der Hochbahn zwischen Ohlsdorf und Ochsenzoll vorgesehen. Radfahrende aus Norderstedt sollen am U-Bahnhof Ochsenzoll auf die ehemalige Bahntrasse wechseln können und von dort kreuzungsfrei und zügig bis Ohlsdorf radeln können. Am U-Bahnhof Klein Borstel muss die Bahntrasse verlassen werden. Von dort soll es über Wellingsbütteler Landstraße, die Fuhle, Im Grüenen Grunde vorbei am Bahnhof Ohlsdorf und anschließend über die Rathenaustraße - zukünftig als Fahrradstraße - bis zur Sengelmannstraße führen. An der Sengelmannstraße soll Anschluss an die noch auszubauenden oder zu bauenden Velorouten 4 und 5N ins Stadtzentrum bestehen. Laut Anjes Tjarks sollen die Radschnellwege jedoch keine "Fahrradautobahnen" werden, sondern eher "Boulevards für ein nicht ganz so hohes Tempo" - wie das Abendblatt berichtete.

 

Neben dem Gleis der U1 soll auf der ehemaligen Güterbahntrasse der Radscnellweg verlaufen - © Stefan Warda

 

Beim Übergang auf bestehende Velorouten werden manche Radfahrende noch Überraschungen erleben. So gilt beispielsweise auf der schon bestehenden Velorute 11 in Wilhelmsburg auf mehreren Abschnitten des Gert-Schwämmle-Wegs sowie auf dem Abschnitt neben der ehemaligen Wilhelmsburger Reichsstraße nur Schritttempo. Diese Abschnitte sind bis heute lediglich Gehwege, auf denen Radfahrende als Gäste bei Schritttempo geduldet sind. Auf anderen Velorouten dürfen Radfahrende gemäß StVO dem Verlauf der "Veloroute" nicht folgen. Dies trifft beispielsweise für die schon vor mehreren Jahren eingerichtete Fakeveloroute 2 an den Kreuzungen Reichsbahnstraße / Kieler Straße und Kieler Straße / Olloweg zu. 


Veloroute 2, Kreuzungsbereich Reichsbahnstraße / Kieler Straße / Olloweg: Stadteinwärts haben Radfahrer keine legale Möglichkeit, dem Verlauf der Veloroute 2 zu folgen. Gemäß der auch in Hamburg gültigen StVO müssen sie ab der Reichsbahnstraße die Kieler Straße stadteinwärts bis Wördemanns Weg fahren, dort wenden und bis zur Kreuzung mit dem Olloweg stadtauswärts zurückradeln. Stattdessen könnten sie ab der Kreuzung mit dem Wördemanns Weg diesem auch weiter folgen

 

Fakeveloroute 2, Kieler Straße / Reichsbahnstraße: Trotz ein wenig Kosmetik an der Kreuzung mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums können Radfahrende bis heute nicht dem Verlauf der "Veloroute" stadteinwärts folgen - © Stefan Warda

 

Die Idee für Hamburgs Velorouten stammt aus den 1990er Jahren, als die autogerechte Stadt noch der Maßstab für die Verteilung der Verkehrsflächen in Hamburg war. Velorouten sollten möglichst abseits von Hauptverkehrsstraßen den Radverkehr bündeln, damit an den Hauptstraßen der Verkehrsraum vorzugsweise dem MIV samt Stehzeugen vorbehalten blieb. Doch das in den 1990er Jahren begonnene Veloroutennetz ist bis heute nicht einmal vollendet. Derzeit wird neben dem Bau neuer Strecken am Umbau vorhandener Strecken gebaut, welche nicht den Ansprüchen an einen zeitgemäßen Radverkehr entsprechen. Neben einigen isolierten vorbildlichen Abschnitten - wie bespielsweise im Verlauf der zukünftigen Veloroute 5N im Pergolenviertel zwischen Stadtpark und City Nord (abgesehen von der unglücklichen Vorfahrtregelung an der Kreuzung mit dem Dakarweg) - genügen selbst neuere ausgebaute Abschnitte nicht den Anforderungen an den heutigen und vor allem nicht den zukünftig erwarteten Radverkehr. 



Mehr . . . / More . . . :

.

2 Kommentare:

  1. Gut, dass die Veloroute im Bereich Wilhelmsburg mit der Entwicklung der Quartiere dort komplett umgebaut werden wird. Derzeit geplant ist eine Fahrradbrücke über die Mengestraße die in der Unterführung des Gert-Schwämmle-Wegs unter der alten Reichsstraße beginnen soll. Auch der Ernst-August-Kanal soll eine neue Querung erhalten, die nach einer Schleife auch gleich das Unterqueren der Schlenzigstraße ermöglicht. Mit der dazu geplanten eigenständigen Führung als 4m Zweirichtungsradweg in den kreuzungsfreien Bereichen wird man in Zukunft hoffentlich unterbrechungsfrei vom König-Georg-Deich bis auf die Veddel fahren können.
    (Quelle: https://www.iba-hamburg.de/files/downloads/Projekte/Projekte-Wilhelmsburg-übergeordnet/Praesentation_ProjektdialogWilhelmsburg_2020.pdf Folie 15)
    Auf der Veddel wiederum sind auch im Rahmen der RSW Planungen verschiedene Verbindungen zur Freihafenelbbrücke diskutiert worden.
    Aus Süden ist viel mehr der Bereich Bf. Harburg kritisch, da der chronisch zu eng ist und wohl kaum Platz für Radfahrende in guter Qualität bieten kann.

    AntwortenLöschen
  2. Armselig ist auch auch die Anbindung des RSW aus Ahrensburg an die Veloroute 6, ab Volksdorf. Diese verläuft in Meiendorf unbefestigt (d.h. matschig) durch ein Waldstück und ansonsten im Zick-Zack durch abgelegene Wohngebiete. Auf den dortigen zugeparkten Straßen darf man dann bei Gegenverkehr hinter parkenden Autos warten, sofern man überhaupt eine Ausweichlücke findet. Gerade morgens und nachmittags im Berufsverkehr sind nämlich solche Wohngebiete keinesfalls "ruhige Nebenstraßen", sondern voller KFZ-Verkehr. Und an Einmündungen in Hauptstraßen darf der Radverkehr zudem im KFZ-Rückstau warten. Das ist weder als Veloroute, geschweige denn als RSW geeignet. Ob Tjarks das mit seiner "nicht-ganz-so-schnell-radfahren"-Aussage gemeint hat?

    AntwortenLöschen