162,5 cm breiter Radweg in der Ludwig-Erhard-Straße |
Hamburger Radwege werden seit diesem Jahr bei Um- und Neubauten breiter. War das frühere Standardmaß für Bordsteinradwege 1,5 Meter, so werden neuere Einrichtungsradwege mit einer Breite von bis zu 162,5 cm angelegt. Zusätzlich hat es zum rechts angrenzenden Gehweg einen taktil wahrnembaren Streifen für Sehbehinderte, an manchen Bushaltestellen ist der Radweg je nach Verlauf sogar beidseitig von den weißen genoppten Streifen eingefasst. Die Leitstreifen zählen allerdings zur Gehwegfläche, optisch wirken die Radwege durch die Streifen jedoch noch breiter.
Ludwig-Erhard-Straße / Neanderstraße: Übergang vom erneuerten auf den älteren Radwegabschnitt |
Das bisherige Radwegbreitenmaß von 1,5 Metern wurde im Jahr 2000 mit der überabeiteten PLAST 9 (Planungshinweise für die Anlage von Stadtstraßen - Abschnitt 9 - Anlagendes Radverkehrs) eingeführt, angelehnt an die 1997 im Rahmen der "Radverkehrsnovelle" herausgegebene Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO). Zuvor wurden Radwege in einer Breite von 1,6 Metern hergestellt, falls die Bevorrechtigung des Autoverkehrs dies in Hamburg zuließ. Mit Einführung der PLAST 9 Ausgabe 2000 wurde auch die Bauausführung umgestellt. Gab es zuvor als Regelbauweise rote Betonsteine im Format 10x20 cm, wurden ab 2000 die Betonsteine größer. Das neue Format 25x25 cm wird bis heute verwendet. Mit diesen Steinen ließ sich die in den vom Bundesverkehrsminister herausgegebenen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) erwähnte Mindestbreite von 1,6 Metern nur herstellen, wenn die Steine aufwändig gestückelt worden wären. In Hamburg wurde auf 1,5 Meter reduziert. Das neue Radwegbreitenmaß von 162,5 cm ergibt sich aus der Ergänzung der bisherigen Radwegbreite um einen halben 25x25 cm-Stein, um den ERA gerecht zu werden. In der aktuellen ERA von 2010 wird ein Standardmaß von zwei Metern für Einrichtungsradwege empfohlen, bei geringer Radverkehrsstärke wenigstens 1,6 Meter.
Grindelberg: Übergang vom alten auf den erneuerten Radwegabschnitt |
Grindelberg: Übergang vom alten auf den erneuerten Radwegabschnitt |
In der Wiederaufphase nach dem Krieg wurden Radwege von mindestens 1,6 Metern Breite angelegt, vor allem an neuen breiten Straßen. Ältere Aufnahmen von der Ost-West-Straße zeigen noch fahrbahnnahe Radwege ohne Verschwenkungen an den Querstraßen und Straßen ohne Parkplätze. Auch in der Barmbeker Straße sind noch Reste der früheren breiten Radwege vorhanden. Heute dürfen auf ihnen Autos parken, die aktuellen Radwege liegen nun neben den Parkplätzen auf Teilen der früheren Gehwege. Die Gehwegbreiten wurden also in einer späteren Phase deutlich reduziert. Ab 1965 wurden Radwege gemäß der PLAST nur noch mit Breiten von ein bis 1,2 Metern angelegt, aus Sparsamkeitsgründen. Damals wurde davon ausgegangen, dass für Überholvorgänge Gehwegflächen mitbenutzt werden sollten, was allerdings damals schon verboten war und weiterin ist.
Benutzungspflichtgiger Fake-"Radweg" in der Langenhorner Chaussee, 70 cm breit |
Benutzungspflichtiger Fake-"Radweg" in der Langenhorner Chaussee, 80 cm breit |
Unbenutzbarer Fake-"Radweg" in der Augustenburger Straße, 80 cm breit |
Der überwiegende Teil der Radwege hat noch das Standardbreitenmaß von etwa einem Meter. Doch es gibt auch noch deutlich schmalere "Radwege". In der Langenhorner Chaussee gibt es Abschnitte mit nur 70 cm Breite, in der Maria-Louisen-Straße sind es abschnittsweise nur 50 cm Breite. Selbst bei der Herrichtung der ersten Hamburger Velorouten Anfang des 21. Jahrhunderts wurden noch Radwege mit Breiten von einem Meter bis 1,25 Metern eingerichtet. Überholen war auf dieser Veloroute nicht möglich, obwohl diese Veloroute den Radverkehr zu bündeln und damit höhere Verkehrsbelastungen aufnehmen sollte. Heute müssen diese "Radwege" am Neuen Kamp, der Feldstraße und der Kaiser-Wilhelm-Straße nicht mehr benutzt werden - mit Ausnahme eines kurzes Stücks am Neuen Kamp bis zur Kreuzung Neuer Pferdemarkt. Die Räumzeit der Signalsteuerung ist dort nicht für den Radverkehr auf der Fahrbahn ausgelegt, damit der Autoverkehr besser abfliesst.
Veloroute 1 am Neuen Kamp: Der wegen der Räumzeit immer noch benutzungspflichtiger "Radweg" mit unzulässiger Kampfsondernutzung |
Aufteilung des Straßenraums zugunsten der Autofahrer
Mit Einführung breiterer Radwege ging der Verteilungskampf im Hamburger Straßenraum los. Breitere Radwege wurden zunächst fast ausnahmslos zu Lasten der Gehwege angelegt. Bei Gehwegbreiten von weniger als 1,5 Metern wie am Neuen Kamp ist die Verbreiterung des Radwegs natürlich fraglich. Die Gesamtbreite von Geh- und Radweg änderte sich schließlich nicht.
Im Rahmen eines Großprojekts zur Erneuerung von desolaten benutzungspflichtigen Radwegen entlang von Hauptverkehrsstraßen wurden im Zusammenhang mit der Radvekehrsstrategie für Hamburg auch noch Radwege von nur 1,25 Metern und abschnittsweise sogar noch schmaler angelegt. Trotzdem die Mindestbreite nach PLAST und VwV-StVO nicht erreicht wurde liegen einige dieser "Radwege" im Konfliktbereich mit legalen Parkplätzen. Autos parken bis heute regelmäßig über diesen nur 1,25 Meter breiten "Radwegen". Eine Nachbesserung bleibt z.B. an der Barmbeker Straße weiterhin dringend erforderlich.
Barmbeker Straße: Erneuerter benutzungspflichtiger "Radweg" nach den Standards der Radverkehrsstrategie für Hamburg mit geduldeten Kampfparkern. Der rote Radwegbelag hat eine Breite von 1,25 Metern |
Abhilfe schaffen könnten Klagen gegen zahllose Radwegbenutzungspflichten, aber auch eine überarbeitete Fassung der PLAST 9. Diese liegt bei der zuständigen Verkehrsbehörde im Entwurfsstadium vor und wartet auf die letzte Abstimmung. Bis auf allen wichtigen Radwegen das Überholen möglich sein wird werden noch Jahre vergehen. Für die angestrebte Verdoppelung des Hamburger Radverkehrsanteils ist es jedoch erforderlich Radwege so anzulegen, dass sie grundsätzlich dem angestrebtem Radverkehrsaufkommen entsprechen. 1,6 Meter wird in Deutschland als absolutes Mindestmaß für den zweispurigen Radverkehr angesehen, das Standardmaß beträgt aber zwei Meter Radwegbreite. Noch wird also überwiegend nur mit Mindestmaßen gearbeitet. Kopenhagen ist bei den Radwegebreiten großzügiger. Das Standardmaß beträgt dort 2,2 Meter, bei Bedarf sind Radwege sogar drei oder vier Meter breit - je Fahrtrichtung. Die Niederlande empfehlen eine Mindestbreite von 2,25 Metern für innerstädtische Radwege mit Einrichtungsverkehr.
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"Die Räumzeit der Signalsteuerung ist dort nicht für den Radverkehr auf der Fahrbahn ausgelegt, damit der Autoverkehr besser abfliesst". Genau das ist der entscheidende Punkt! Die Straßenverkehrsbehörden ignorieren schlichtweg, dass die Räumzeiten kein Grund dafür sind, dem Radverkehr die Benutzung der Fahrbahn zu verweigern. Wie es im Text richtig heißt, könnten Klagen gegen zahllose Radwegbenutzungspflichten Abhilfe schaffen. Vielleicht reicht sogar ein Widerspruch, ohne dass eine Klage notwendig ist. Beispiel: http://www.hamburg.adfc.de/verkehr/themen/radwegebenutzungspflicht/die-behoerde-hat-dem-radverkehr-groesstmoegliche-aufmerksamkeit-geschenkt/
AntwortenLöschenOffensichtlich schrecken aber viele vor Widersprüchen und Klagen zurück, aus Angst, sie könnten (Geld) verlieren. Trotz eindeutiger Rechtslage werden die Behörden aber von sich aus - gerade auf den Hauptstraßen - nichts ändern, weil für sie ausschließlich die Optimierung des Autoverkehrs zählt. Radfahrende sind für sie nicht mehr, als eine lästige Gruppe von Verkehrsteilnehmern, die sich dem "Bedarf" des "richtigen" Verkehrs, also dem Autoverkehr, unterzuordnen hat. Ein seit 1936 bestehendes Denken.
Für die Barmbeker Straße läuft zurzeit eine entsprechende Klage, weil die Behörden es ablehnen, dem Radverkehr das Fahren auf der Fahrbahn zu erlauben. Mal sehen, wie sie dem Gericht erklären wollen, dass das Radfahren auf einem "Radweg", der nicht benutzbar ist, sicherer sein soll, als die Fahrbahnbenutzung…
Pferdemarkt wird 2014 ohnehin im Rahmen der Busbeschleunigung "angefasst". Da Vattenfall der Auftragnehmer bei Änderungen von Ampelschaltungen sind und sich - wenn sie fix sind - immerhin nach ca. 6-8 Wochen dann Änderungen auch einspeisen/umsetzen, wird man wohl mal wieder gespart haben.
AntwortenLöschenDenn sonst müsste da ein Inschenöhr die Ampelphasen neu auswürfeln (kostet + dauert), das Betriebsprogramm zusammengefrickelt werden (kostet + dauert) und schließlich ja wie gesagt Vattenfall das ins System eintrichtern (kostet + dauert).
Und das hier gleich 2x? wegen ein paar popeliger Radfahrer? Nee, sorry, hier = HAMBURG! :)
Bei einem 1,60m breiten Radweg gilt weiterhin Überholverbot. Überholen von langsameren Radfahrern ist erst ab einer Breite von 2,00m legal möglich.
AntwortenLöschenAls wenn die Breite etwas an der grundsätzlichen Nichteignung von direkt am Fußweg geführten Radwegen ändern würde. Ab Tempo 25 ist Fahren auf solchen Wegen einfach Krieg, egal wie breit sie sind. Und die Räumzeiten können aus meiner Sicht als Rennradler so bleiben, die werden ja für Mofas auch nicht angepasst. Für Langsamradler einfach den Fußweg freigeben.
AntwortenLöschenDas Gros (Mittelwert +/- 2 Standardabweichungen, also ca 95%) der Radfahrer fährt zwischen 12 und 22km/h. Ich kann immer wieder nur kopfschüttelnd feststellen, wie dreist Rennradler ihre minoritären Bedürfnisse zum Standard erheben wollen. Nicht zu fassen. Wie wohl auf eine Initiative des Motorsports reagiert würde, Hamburgs Strassen rallyetauglich zu machen?
AntwortenLöschenDie Breite von Fahrradwegen kann die Reisegeschwindigkeit beträchtlich erhöhen. In Kopenhagen sind auf den Hochborden problemlos Geschwindigkeiten von 30km/h realisierbar.
Das Hamburgs Radwege breiter werden stimmt nicht. Oft werden sie, s. z.B. Horner Weg ab Caspar-Voght -> Horner Kreisel, einfach ersatzlos zu Parkplätzen umgebaut. Radverkehrsförderung a la Hamburg: Der ADFC freut sich ("Ab auf die Straße"), der ADAC freut sich (Radinfrastruktur wird zu Kfz-Infrastruktur), nur der normale Radler guckt in die Röhre oder, besser, in den Auspuff.
Leider kommt der Landesrechnungshof in puncto Radverkehr seinen Aufgaben nicht nach. Dringend erforderlich ist eine Evaluation der in der Radverkehrsförderung eingesetzten Mittel. Der Radverkehr braucht eine Vorher/Nachher Evaluation. Es muss festgestellt werden, inwieweit die eingesetzten Mittel den Radverkehr auf den neu gestalteten Strecken tatsächlich fördern. Das Augenmerk sollte liegen auf: Veränderung der Radlerzahlen auf der umgebauten Strecke, (Änderungen in) Zusammensetzung der Radler nach Alter und Geschlecht, Konflikthäufigkeit, Flächennutzung.