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14. September 2020

Hamburg: CDU fordert unverzügliches Ende für Verkehrsversuch mit Pop-up-Radspuren am Schlump

 Hamburg: CDU against pop-up bike lanes at Schlump

 Aktualisiert um 21:10 Uhr

Beim Schlump: Verkehrsversuch mit Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

 

Die Hamburger CDU fordert laut Abendblatt das unverzügliche Ende des Verkehrsversuchs mit Pop-up-Radfahrstreifen auf der Straße Beim Schlump im Bezirk Eimsbüttel. Am 6. September wurden dort beidseitig bis zu mehr als drei Meter breite Radfahrstreifen eingerichtet, die das Nebeneinanderradeln bzw. das Überholen von Radfahrenden ermöglichen, ohne dabei in Konflikt mit Gehenden oder dem MIV zu geraten. Die gelb markierten Radspuren sollen zunächst für ein Jahr Bestand haben und die Auswirkung deren Einrichtung auf Verkehrsfluss, Verkehrsverhalten und Verkehrssicherheit ausgewertet werden.

 

Beim Schlump: Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

 

Bislang mussten Radfahrende in der Straße Beim Schlump fast ausschließlich auf der Fahrbahn fahren. Z.T. war sogar das Parken am Fahrbahnrand erlaubt bzw. geduldet, wo Radfahrende sich deswegen mit dem MIV die einzig zur Verfügung stehende Spur auf der Fahrbahn teilen mussten. Für die Einrichtung des neuen Verkehrsraums für Radfahrende wurde das bislang geduldete bzw. erlaubte Parken am Fahrbahnrand aufgehoben, um dadurch einen durchgehenden eigenen Verkehrsraum für Radfahrende einzurichten. 


Beim Schlump / Ellenbogen: 2020 nach Einrichtung der Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

Beim Schlump / Ellenbogen: 2020 vor Einrichtung der Pop-up-Radfahrstreifen und ohne jegliche Radverkehrsanlagen - © Stefan Warda

Beim Schlump nahe Kielortallee: 2020 mit Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

Beim Schlump nahe Kielortallee: 2020 ohne jegliche Radverkehrsanlage und "Zweite-Reihe-Parken" (Gehwegparken ist angeordnet) - © Stefan Warda

 

Pop-up-Radfahrstreifen ganz im Sinne der CDU-Radverkehrsstrategie von 2008

Vormals gab es auf dem Hochbord unbenutzbare benutzungspflichtige Fakeradwege. 2005 wurde die Benutzungspflicht für die Fakeradwege aufgehoben, 2010 wurde zusätzlich zum Radeln auf der Fahrbahn und dem Radfahrversuch auf dem Fakeradweg im Dooringbereich auch das Radeln bei Schritttempo auf dem Gehweg erlaubt. 2015 wurden noch vorhandene Reste des Fakeradwegs im Dooringbereich weitgehend entfernt. 2016 wurde das Radfahren auf dem Gehweg verboten. Seitdem mussten Radfahrende im Abschnitt Bogenstraße - Gustav-Falke-Straße und Gustav-Falke-Straße - Bundesstraße die Fahrbahn benutzen. 

2008 veröffentlichte die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) unter Senator Axel Gedaschko (CDU) die "Radverkehrsstrategie für Hamburg". Diese sollte als Instrument dienen, den bis dahin vollkommen vernachlässigten Radverkehr systematisch zu fördern. Neben dem vorangigen Ausbau des Veloroutennetzes und der Herrichtung benutzungspflichtiger Radverkehrsanlagen an die Vorgaben der Regelwerke sollten laut der Radverkehrsstrategie sogar die Bedingungen für Radfahrende an nicht mehr benutzungspflichtigen Radverkehrsanlagen verbessert werden, falls diese den Regelwerken nicht entsprachen oder in Konflikt mit anderen Belangen standen. 

"Bei der Verbesserung vorhandener Radwege gilt der Grundsatz „Qualität vor Quantität“. Wenn Radwege zu schmal sind oder Sicherheitsräume zu parkenden Fahrzeugen fehlen, reicht eine einfache Belagserneuerung nicht aus. Dann ist der Querschnitt neu aufzuteilen und ggf. der Einsatz alternativer Führungsformen wie Radfahrstreifen oder Schutzstreifen zu prüfen. Dabei sollen im Interesse einer gleichberechtigten Behandlung des Radverkehrs im Straßenverkehr grundsätzlich die in den Regelwerken empfohlenen Standardmaße verwirklicht werden. Eine Beschränkung auf die Mindestmaße erfolgt nur bei unabweisbarer Notwendigkeit."

Mit der Einrichtung der Pop-up-Radfahrstreifen Beim Schlump wurde nun genau das umgesetzt, was im obigen Kapitel 1-7 der Radverkehrsstrategie, die 2007 unter dem CDU-Senat entwickelt und 2008 veröffentlicht wurde: die Prüfung alternativer Führungsformen im Rahmen eines einjährigen Verkehrsversuchs. Seitdem die CDU in Hamburg jedoch nicht mehr Regierungspartei ist,  weiß sie leider nicht mehr, was in der "Radverkehrsstrategie von Hamburg" steht. Dennoch stellte die CDU in der Opposition gerne die unter dem CDU-Senat entwickelte "Radverkehrsstrategie für Hamburg" als vorbildlich dar. 2016 setzte sie sich beispielsweise für einen Radschnellweg auf der Trasse der ehemaligen Güterbahn zwischen Ohlsdorf und Ochsenzoll ein, betonte in dem Bürgerschaftsantrag jedoch, Radverkehr nur dann fördern zu wollen, wenn der Status Quo des Autoverkehrs in Hamburg nicht in Frage gestellt würde.

"Zur Förderung des Radverkehrs hat der CDU-geführte Senat im Januar 2008 die bis heute gültige Radverkehrsstrategie für Hamburg (Drs. 18/7662) beschlossen, die von dem aus Vertretern von Verbänden, Vereinen, Verwaltung und Politik bestehendem Fahrradforum erarbeitet wurde. Viele der mit der Radverkehrsstrategie erhofften und erwünschten Wirkungen sind inzwischen eingetreten. In den letzten Jahren gab es aber auch Negativentwicklungen. Insbesondere die weiterhin hohe Zahl von Unfällen mit Radfahrerbeteiligung deutet darauf hin, dass die Verkehrssicherheit zuletzt vernachlässigt wurde und dass dem Wachstum des Radverkehrsanteils faktische Grenzen gesetzt sind. Es war und ist bedauerlich, dass ein von der CDU-Bürgerschaftsfraktion erst im Sommer 2016 in die Bürgerschaft eingebrachter Antrag zur Verbesserung der Radverkehrssicherheit am Widerstand von SPD, GRÜNEN und LINKEN (R2G) scheiterte.
Für die CDU ist aber weiterhin klar: Der Radverkehr muss auch in Zukunft gefördert werden. Das Wachstum muss allerdings organisch und nicht sprunghaft, es muss mit Außenmaß und nicht mit der Brechstange, es muss im Konzert mit und nicht einseitig gegen andere Verkehrsmittel erfolgen. Unser Ziel ist, dass immer mehr Menschen mit dem Rad schnell und sicher ans Ziel gelangen durch attraktive Rahmenbedingungen und nicht durch einseitige Politik und staatlichen Zwang zulasten anderer Verkehrsteilnehmer."

Heute stellt sich die CDU wiederholt eindeutig gegen die von ihr initiierte Radverkehrsstrategie.

 

Beim Schlump 27: Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

Beim Schlump 27: Reste des Fakeradwegs im Jahr 2020 - © Stefan Warda

Beim Schlump 27: 1999 benutzungspflichtiger Fakeradweg, der wegen illegaler Sondernutzung auch regelwidrig von Gehenden benutzt wurde - © Stefan Warda

Beim Schlump 55: Pop-up-Radfahrstreifen - © Stefan Warda

Beim Schlump 55: Zwischen Fußgänger und Stehzeug verlief bis 2015 der Hochbordradweg im Dooringbereich - © Stefan Warda

Beim Schlump 55: Benutzungspflichtiger unbenutzbarer Fakeradweg im Jahr 2000 - © Stefan Warda

Beim Schlump 55: 2020 noch ohne Pop-up-Radfahrstreifen - Fahrbahnradelzwang - © Stefan Warda

 

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6 Kommentare:

  1. Ah ja, die 11%-Möchtegern-Großstadtpartei will AfD und FDP das Hardcoreautofahrerklientel streitig machen... wenn dadurch AfD und FDP unter 5% fallen bzw. dort bleiben, soll's mir recht sein.

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  2. Dass in Hamburg eine ehemalige Regierungspartei innerhalb kurzer Zeit nach der Abwahl ihre meist in vielen Jahren schmerzhaften Ausprobierens erworbene Expertise insbesondere bei Themen wie Verkehr, bei denen die Stadt 1,7 Mio. "Experten" zu bieten hat, von denen jedoch 99,99% keine Ahnung haben und Müll quatschen, ist nichts Neues. Der SPD HH ging es 2001 / 2002 doch ebenso. Sonst hätten wir ja 2011 keinen Abbruch der Stadtbahnplanung (mit Ansage) erlebt.

    Komisch ist es schon. Denn der CDU sollte eigentlich klar sein, dass sie mit der Positionierung in Hamburg aus ihrem selbstverschuldeten Wahlvergeigenreigen nicht herauskommt. Dem letzten Auspuffküsser hinterherlaufen ist ja so etwas von gestern - eigentlich. Denn natürlich suchen derzeit alle Parteien nach einem sicheren Standbein, nachdem der ÖPNV im Frühjahr unerwartet, aber nachvollziehbar erhebliche Imageprobleme bekam.

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  3. Dass in Hamburg eine ehemalige Regierungspartei innerhalb kurzer Zeit nach der Abwahl ihre meist in vielen Jahren schmerzhaften Ausprobierens erworbene Expertise insbesondere bei Themen wie Verkehr, bei denen die Stadt 1,7 Mio. "Experten" zu bieten hat, von denen jedoch 99,99% keine Ahnung haben und Müll quatschen, ist nichts Neues. Der SPD HH ging es 2001 / 2002 doch ebenso. Sonst hätten wir ja 2011 keinen Abbruch der Stadtbahnplanung (mit Ansage) erlebt.

    Komisch ist es schon. Denn der CDU sollte eigentlich klar sein, dass sie mit der Positionierung in Hamburg aus ihrem selbstverschuldeten Wahlvergeigenreigen nicht herauskommt. Dem letzten Auspuffküsser hinterherlaufen ist ja so etwas von gestern - eigentlich. Denn natürlich suchen derzeit alle Parteien nach einem sicheren Standbein, nachdem der ÖPNV im Frühjahr unerwartet, aber nachvollziehbar erhebliche Imageprobleme bekam.

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    1. Der Vergleich passt nicht ganz. Herr Thering hatte bislang gerne weiterhin betont, dass die CDU die Radverkehrsstrategie für Hamburg von 2008 initiiert hatte. Die war im Konsens unter Beteiligung von Behörden, Verbänden und Bürgerschaftsparteien abgestimmt worden und sollte über einen Zeitraum von mehr als einer Senatsperiode Bestand haben.
      Auch würde das CDU-Radverkehrskonzept von 2016 in einer Linie mit der Radverkehrsstrategie für Hamburg stehen - was allderings nicht stimmt.
      https://hamburgize.blogspot.com/2016/05/geht-gar-nicht-cdu-hamburg-fordert-den.html

      Die CDU in der Opposition interpretiert nun allerdings alle Maßnahmen des Senats, die der Radverkehrsstrategie entsprechen, als Verstoß gegen die Radverkehrsstrategie. Die CDU leidet da unter extremer Schizophrenie.

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    2. Die heutigen "Experten" der CDU wissen halt nicht, was sie plappern. Ihnen ist der Kompass (oder wie oben geschrieben "die Expertise") verloren gegangen. Nun muss man allerdings feststellen, dass seit 2008 auch schon 12 Jahre ins Land gingen und viele Personen, die damals für die CDU im Verkehrsbereich tätig waren, weg sind. Ob die nun damals alle Radfahrstreifen wollten oder eher einen für ein paar Jahre (Regierungsjahre der CDU!) ruhigen ADFC steht zudem auch nicht fest.

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  4. Herrn Thering kann man beim allerbesten Willen nicht ernst nehmen. Das geht bei ihm schon immer so, wie es ihm gerade in der jeweiligen Situation zu passen scheint: Mal für Radwege - mal gegen Radwege. Mal gegen illegales Parken - mal für illegales Parken. Hauptsache irgendwas, um eine Schlagzeile im Abendblatt/ Wochenblatt oder sonstwo zu erzeugen.
    Mit dieser Einstellung könnte er ja fast bei der Sonneborn-Partei anfangen, passend zu deren Slogan JA zu Europa, NEIN zu Europa. Aber nur fast....
    Aber fakt ist auch: Wenn es aber um die Wurst geht, dann ist Thering immer pro KFZ, contra Fahrrad. Aber anstatt dazu zu stehen, spielt er vorab immer dieses Bäumchen-wechsel-dich-Theater. Aber die meisten Wähler kennen den Volksmund "wer einmal lügt, dem glaubt man nicht".

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