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11. Februar 2016

Streit um "Fahrradsteuer" und Parkgebühren in Norderstedt - ein Vergleich mit Utrecht

Dispute over taxes for cyclists and fees for car parking in Norderstedt - look at Utrecht


© hamburgize.com / Stefan Warda


Der ADFC Norderstedt kritisierte, dass das bewachte Parken in der neuen Radstation in Norderstedts Zentrum mindestens 70 Cent kostet. Laut Abendblatt parken Autofahrer in ganz Norderstedt abgesehen vom Bereich um das Herold-Center allerdings kostenlos. Der ADFC und die Grünen fordern nun eine flächendeckende Parkraumbewirtschaft in Norderstedt. Der Abendblattartikel führte zu einer Entrüstung bei vielen Autofahrer. Sie fordern eine "Fahrradsteuer" für Radfahrer, weil Radfahrer angeblich keine Steuern zahlen und ihre Infrastruktur angeblich geschenkt bekämen, Autofahrer dank ihrer Steuern ein Anrecht auf kostenfreies Parken hätten. Doch können sich Autofahrer es so einfach machen?


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Oberirdische Abstellanlage in Norderstedt-Mitte

Im Vergleich mit Utrecht (330.000 Einwohner) in den Niederlanden wirkt das Modell Norderstedt (75.000 Einwohner) wie nach Art der autogerechten Stadt. In Utrecht bezahlen Autofahrer in der Parkzone A1 in der Innenstadt 4,53 Euro je Stunde. In Parkhäusern und Garagen müssen zwischen 2,58 und 4,28 Euro entrichtet werden. Wer Utrecht mit dem Auto besuchen will und vor der Innenstadt an einer P+R-Anlage parkt, bezahlt 4,50 Euro, 5,00 Euro kostet Parken auf der P+R-Anlage inklusive eines ÖV-Tagestickets für fünf Personen. Nicht zu vergessen: Utrecht hat eine Umweltzone eingerichtet. Dieselfahrzeuge älterer Baujahre müssen draußen bleiben.


Utrecht: Fahrradparkhaus Vredenburg

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Radfahrer können ihre Fahrräder im Stadtzentrum in zahlreichen bewachten Radstationen abstellen. In der Regel ist der erste Tag kostenlos, ab dem zweiten Tag fallen Parkgebühren von 50 Cent an. Selbst in der großen Radstation "Jaarbeursplein" unter der Central Station ist Parken am ersten Tag kostenlos. Ab dem zweiten Tag kostet es dort allerdings 1,25 Euro. Utrecht baut derzeit der Welt größtes Fahrradparkhaus am Bahnhof. Sebst in der Pendlergemeinde Houten (50.000 Einwohner) im Südosten von Utrecht angrenzend ist das Parken in der kameraüberwachten Fahrradstation am Bahnhof kostenlos. Utrechts und Houtens Radfahrer müssen allerdings keine "Fahrradsteuern" entrichten. Wieso nicht?


Houten: Fietstransferium

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Die geringen Beiträge, die Autofahrer über Steuern entrichten, machen bei weitem nicht die negativen Folgen, die Autofahrer durch ihr Verkehrsverhalten verursachen, wett. Autofahrer belasten die Städte, Radfahrer entlasten die Städte. Diesen Zusammenhang hatte erstmals die Stadt Kopenhagen als Argumentation für die Anlage von Radwegen untersucht.  Die positiven Effekte des Radfahren aus gesundheitlicher sicht und die negativen Effekte des Autofahrens, wie Lärm, Schadstoffe, Flächenverbrauch, machen es wirtschaftlich, in Fahrradprojekte zu investieren. Ein zusätzlicher Radfahrer hätte je km in der Rushhour 1,62 DKK (+0,22 Euro) Gewinn für die Stadt, ein Autofahrer brächte einen sozioökonomischen Verlust von 5,64 DKK (-0,76 Euro) je Kilometer in der Rushhour.


Utrecht: Fahrradstation Jaarbeursplein

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Unmut gab es auch bei der Eröffnung der Radstation in Bergedorf 2012. Radfahrer müssen auch für das bewachte Parken in der Radstation bezahlen, während das Parken im Parkhaus kostenfrei war.


Utrecht: Parkleitsystem für Radfahrer

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3 Kommentare:

  1. Naja, das beste Argument weiß Wikipedia zu dem ewiglichen "Wunsch" nach Fahrradsteuern: Als Steuer wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, ... Gebühren und Beiträge werden hingegen aufgabenbezogen und zweckgebunden verwendet.
    Btw bemerkt, zahlt man ja schon beim Erwerb Mehrwertsteuer.
    Das heisst, sowohl die KFZ Steuer kommt nicht dem Straßenbau zugute, da sie ja nicht Zweckgebunden ist, und so eine Fahrradsteuer ebenfalls für solch eine Finanzierung nicht geeignet ist.

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    1. Diese Spitzfindigkeit interessiert den "Radfahrer müssen erst ´mal Steuern zahlen bevor sie etwas fordern dürfen"-Sager nicht, denn er sieht nur, dass er etwas zahlt und der Radfahrer eben nicht. Und wenn solche Aussagen von der Presse oder von der Politik auch nicht hinterfragt oder relativiert werden, dann bleibt man halt bei seiner Meinung. Wikipedia hin oder her.

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  2. Danke für die guten Hintergrundinfos.
    Ich finde es wird wieder deutlich sichtbar, dass die Politik das Thema Fahrradförderung nicht durchdrungen hat. Entweder ist sie dazu nicht in der Lage oder sie scheut sich den Widersprechenden mit Sachargumenten entgegen zu treten oder sie will es nicht (Lippenbekenntnisse). Wenn man den Radverkehr wirklich fördern will, dann muss es auch im Detail funktionieren; sonst ist vieles für die Katz´!
    Vielleicht war es etwas unklug zu fordern, dass alle PKW-Plätze kostenpflichtig werden sollen um die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Ein Verzicht auf die Parkgebühren für die Radfahrer wäre ja auch eine Möglichkeit. Ich vermute, dass dies sogar gefordert wurde, aber die Presse lieber den konfliktbehafteten Teil thematisiert.

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