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23. April 2012

Gastronomiebetreiber gegen Fußgänger und Radfahrer - die nächste Runde

Innkeeper versus pedestrians and cyclists - next step


Gestern nachmittags im Schanzenviertel: Die Mindestgehwegbreite von zwei Metern wird nicht eingehalten, aber auch nicht einmal die bis 2011 genehmigte Mindestgehwegbreite von nur 1,5 Metern ist zugestellt von den Gastronomen. Krieg der Wirte gegen Fußgänger und Radfahrer?

Im Kampf um Gehwegflächen und Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgänger- und Radverkehrs in Altona geht es nun in die nächste Runde. Die Wirte, die jahrelang im Schanzenviertel die erlaubten Sondernutzungsmaße für Biergärten und Geschäftsauslagen großzügig überschritten hatten, wollen nun ein Bürgerbegehren einleiten, um nicht mehr angemessene Durchlassbreiten auf den Geh- und Radwegen zu berücksichtigen. Fakt ist: Eine Durchlassbreite neben einem Biergarten von nur 1,5 Metern ist absolut nicht ausreichend für einen Gehweg in einem sehr belebtem Flanier- und Einkaufsviertel. Je mehr Fußgänger, desto breiter der Gehweg, das müsste eigentlich jedem einleuchten. Andernfalls würde ja selbst für die Spitalerstraße, die Ottenser Hauptstraße oder die Wandelhalle im Hauptbahnhof eine Durchlassbreite für Fußgänger von nur 1,5 Metern verbleiben. Auch auf den Fahrbahnen bräuchte es jeweils nur noch eine Fahrspur pro Richtung für den Autoverkehr, ganz unabhängig von der Verkehrsmenge. Auf der Stresemannstraße gäbe es dann mehr Platz zum Sitzen in der Sonne, wenn die Autos auf nur noch insgesamt zwei Fahrspuren durch das Schanzenviertel schleichen. Neben einem geduldetem Durchlass von 1,5 Metern für die leider unverzichtbaren Fußgänger wäre dort erheblich Platz gewonnen für Außengastronomie, neue Arbeitsplätze, mehr Lebensqualität. Oder?  

Schanzenviertel gestern nachmittags: Der Gehweg in der alten Breite von nur 1,5 Metern reicht bei weitem nicht aus fü den fußgängerverkehr zwischen den Gastronutzungen. Die neuerdings gültige Breite von sogar zwei Metern wird hier ignoriert, würde aber auch hier kaum ausreichen.
In Abhängigkeit von der hohen Fußgängerfrequenz im Schanzenviertel und anderswo in Altona hat das Bezirksamt dieses Jahr vorgeschrieben wenigstens zwei Meter Durchlassbreite auf den Gehwegen für den Fußgängerverkehr offen zu halten. Dies ist offensichtlich auch eine Lehre aus den schlechten Erfahrungen der letzten Jahrzehnte. Denn ganz wichtig: Die 1,5 Meter Restgehwegbreite war in den letzten zwanzig Jahren kaum von einem der Betriebe eingehalten worden. Stühle und Tische blockierten zum Teil die gesamte Gehwegfläche bis an den Radweg, auf dem Radweg standen Kinderwagen oder Rollstühle und Rollatoren, lagen Hunde oder Gepäck der Gäste oder Verkaufsauslagen der Geschäfte. Straßenmusikanten standen in den Abendbstunden auf dem Radweg, um die Biergartengäste zu unterhalten. Der Radweg war quasi zu einem engem Durchgang eines Restaurants während oder eines Kaufhauses zum Auftakt des Sommerschlussverkaufs verkommen, wenn es im Schanzenviertel Nachmittag oder Abend wird. Radfahrer haben das Gefühl mitten durch eine Bar radeln zu müssen.


"Kämpfer" auf dem Radweg?


Radweg oder Spielplatz? Eingetragen ist die frühere Mindestgehwegbreite von 1,5 Meter, die mal wieder unterschritten wurde
"Kampfhund" auf dem Radweg?
"Radweg" als Kellnerinnenarbeitsplatz
"Kampfwagen" auf dem Radweg?
"Kämpfer" auf dem Radweg? Hier eingetragen die frühere Mindestgehwegbreite von nur 1,5 Meter, die mal wieder nicht eingehalten war
Mindestgehwegbreite hier null Meter


Mit dem Bürgerbegehren versucht sich nun eine Wirtschaftsinteressengruppe über das Gemeinwohl hinaus durchzusetzen und gibt sich den Anschein einer zu Unrecht von rigider Bürokratie getroffener Randgruppe, die angeblich um ihre nackte Existenz kämpfen müsste. Dem ist sicherlich nicht so. Die Wirte verstehen sich zu organisieren, geschickt zu vermarkten und Gehör zu verschaffen. Das schaffen Fußgänger und Anwohner oder auch Radfahrer weniger gut. Bevor nun aber die Bürger Altonas lediglich über eine Gehwegbreite von 1,5 Meter oder zwei Metern abstimmen sollen, sollte sich der Bezirk grundsätzlich mit den Bürgern auseinandersetzen, wie die Straßenräume in den betroffenen Quartieren gestaltet werden könnten. Und da sollte alles auf den Tisch: Fahrbahnbreiten, Platz für Parkplätze, Platz für Straßenräume, Platz für Radverkehr, Platz für Fahrradbügel, Platz für den Fußgängerverkehr und den Aufenthalt im Straßenraum für Anwohner und Besucher der Quartiere, Platz für Ladeverkehr und Mülltonnen. Über die Raumbedarfe muss nicht neu entschieden werden, dazu gibt es schon längst Richtlinien für alle Verkehrsbedürnisse, auch für den Fußgängerverkehr. Diese müssen insgesamt in Einklang gebracht werden und Kompromisse werden niemals ausbleiben. Es kann nicht allen Interessen gleichzeitig mit einem Maximum Zuspruch gegeben werden.


Innsbruck: "Gastgarten" ohne Behinderung des Fußgängerverkehrs
"Gastgarten" in Innsbruck

 Der Fehler, der in Hamburg gemacht wurde, ist die jahrzehntelange Duldung der übermäßigen Einschränkung der Geh- und Radwege. Keine Behörde hat jemals richtig auf die Bedürfnisse der Fußgänger geachtet, sei es auch mangels Personal. Andere Städte zeigen Alternativen auf. Mit einer anderen Prioritätensetzung gibt es ganz andere Lösungen für Geschäftsstraßen im Konflikt zwischen Straßenverkehr, Aufenthaltsqualität und den Bedürfnissen der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Unsere Hamburger Straßen sind nicht zu eng, es kommt nur darauf an, was wir aus dem vorhanden Platz machen. Andere europäische Städte haben ebenso enge Straßen mit einer hohen Nutzungsfülle. In Innsbruck werden die Sondernutzungen auf Parkplätzen erlaubt als sogenannte "Gastgärten". Dadurch wird den Fußgängern kein Platz weggenommen. In Kopenhagens Haupt- und Geschäftsstraßen wird der Schwerpunkt auf die Leichtigkeit des Verkehrs gesetzt. Es gibt kaum Parkplätze, dafür aber ausreichend breite Radwege und Gehwege. Die Kunden der Geschäfte kommen ohnehin überwiegend mit dem Rad.


Alternative Geschäftsstraße: Gute und nutzbare Radwege, keine Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern
Kopenhagen: Der Schwerpunkt in der Gestaltung der Geschäftsstraßen liegt beim fließenden Verkehr. Es gibt zumindest für Automobilisten keine Stellplätze, jedoch für Radfahrer.



Bei den Überlegungen für Schanzenstraße oder Schulterblatt sollte neben den Sitzplätzen für Gastronomiebetriebe also auch berücksichtigt werden, wie zukünftig der Radverkehr sicher und bequem bewältigt wird - ob auf einem Radweg oder Radfahrstreifen, auf der Fahrbahn, mit Kopfsteinplaster oder Asphalt, bei Tempo 30, mit grüner Welle oder ständigem Stop-an-go zwischen zahlreichen Zweite-Reihe-Parkern und Lieferverkehr. Natürlich muss dabei berücksichtigt werden, dass der Hamburger Radverkehr bis 2015 um 50% auf einen Anteil von 18% zunehmen soll und dadurch andere Verkehrsmittel weniger nachgefragt werden.


Biergärten gibt es in München zumindest nicht auf der Straße

Echter Biergarten in München
Echter Biergarten in München: Hier führt kein Radweg durch
München: Ein ernsthafter Versuch Konflikte zwischen Radverkehr und Außengastronomie zu vermeiden
München: Sondernutzungensflächen werden markiert - wie auch in Hamburg


München: Markierung der Sondernutzungsfläche



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