28. August 2017

Eine kleine Fake-News

Little fake news

Gastbeitrag von Tilo Schmidtsdorff

© Tilo Schmidtsdorff


Zur Entstehung alternativer Fakten und wie openPetition.de seine selbst gesetzten Maßstäbe verrät

„[U]ngefähr 150 Parkplätze“ sollen laut eines Flyers einer Initiative, die sich selbst „Initiative für mehr Parkraum in der Jarrestadt“ nennt, durch den Bau eines Fahrradstreifens in einer Straße namens Wiesendamm im Hamburger Stadtteil Winterhude weggefallen sein. Um für eine Petition auf openPetition.de zu werben, wurde der besagte Flyer im Frühjahr 2017 an den Windschutzscheiben unzähliger Autos im Wohnquartier „Jarrestadt“ angebracht. 

Auf der Suche nach einer geeigneten Quelle, die die 150 weggefallenen Parkplätze belegen könnte, fiel auf, dass das „Hamburger Wochenblatt“ – ein lokales Anzeigenblatt der Funke Medien Gruppe – in unterschiedlichen Artikeln unterschiedliche Zahlen nennt. Neben einigen Artikeln, in denen von 120 Parkplätzen die Rede ist, sticht ein Artikel heraus, in welchem lediglich 50 Parkplätze genannt werden. Dieser Artikel bezieht sich auf die Aussage eines ortsansässigen Polizisten und es wird darauf verwiesen, dass zusätzlich zu den 50 ausgewiesenen Parkflächen rund 80 Fahrzeuge ständig regelwidrig geparkt werden. Auf Nachfrage bei der Redaktion des „Hamburger Wochenblatt“, auf welche Quelle sich denn die Anzahl von 120 Parkplätzen berufe, folgte sinngemäß folgende Antwort: Die Zahl sei auf eine Anwohnerzählung zurückzuführen, in welche die regelmäßig illegal abgestellten Fahrzeuge kurzerhand eingeflossen sind. Diese Quelle ist nicht öffentlich zugänglich. In einer Sachlage, in der es um nicht weniger als eine örtliche verkehrsplanerische Maßnahme geht, handelt es sich folglich um eine wenig belastbare und zudem widersprüchliche Quelle. 


Wiesendamm, Radfahrstreifen - © Stefan Warda

Die einzige offizielle Quelle dürfte ein Erläuterungsberichts der Bezirksverwaltung Hamburg Nord sein. In diesem werden lediglich 41 Parkplätze genannt, die tatsächlich dem Bau eines
Fahrradstreifens und damit einhergehend der Wiederherstellung der Gehweganlage gewichen sind. 

Es drängte sich somit der Verdacht auf, dass sich die Flyer-Werbung der Initiative auf die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen stützt. Also wurde openPetition.de hierzu in den Blick genommen. 

Auf openPetition.de verrät ein Blick in die Nutzungsbedingungen unter §1.5, dass „Petitionen mit falschen Tatsachenbehauptungen bzw. Tatsachenbehauptungen ohne geeignete Quellenangaben“ beendet werden. OpenPetition.de wurde hierzu kontaktiert und über die oben genannte Situation informiert. Aus dem Antwortschreiben geht hervor, dass die Petentin in ihrer Stellungnahme davon absehen wird weiterhin diese Flyer zu verteilen. Zudem würden auf der Petitionsunterseite der Initiative keine unwahren Tatsachenbehauptungen geäußert. Und tatsächlich: Auf der Petitionsunterseite der Initiative ist lediglich von einer erheblichen Anzahl Parkplätze die Rede. 

Hieraus lässt sich folgendes schließen: 

Die Petentin hat dem Einwand seitens openPetition.de nicht widersprochen. Im Umkehrschluss würde dies implizit bedeuten, dass sie die Verbreitung von falschen Tatsachenbehauptungen eingesteht. Dies unterstreicht den Verdacht, dass die Initiative gezielt anhand der Verbreitung von Falschinformationen um Unterstützung warb und es ist nicht auszuschließen, dass sie hiervon auch in Zukunft Gebrauch machen wird. 

Offen bleibt, warum man zu derart unsportlichen Mitteln greift. Vielleicht, weil man sich anders nicht zu helfen weiß. Vielleicht aber auch, weil der moralische Kompass defekt ist. Und vielleicht trifft beides zu. 

Da openPetition.de über die Situation in Kenntnis gesetzt wurde, billigt openPetition.de wissentlich eine Petition, die auf höchst fragwürdige Weise um Unterstützung wirbt. OpenPetition.de kann nicht ausschließen, dass ein Gutteil der Unterstützung auf der Grundlage unwahrer Tatsachenbehauptungen gewonnen wurde. OpenPetiotion.de verstößt damit gegen die eigenen Prinzipien.

Offen bleibt, inwiefern dieses Vorgehen im Einklang mit der Mission und den Zielen von openPetition.de steht. Offen bleibt zudem, inwiefern ein solches Vorgehen demokratische Entscheidungsprozesse fördert. OpenPetition.de jedenfalls hängt die Messlatte für das eigene Wirken ziemlich hoch: Die Firma basiert auf einer gGmbH und ist damit der Gemeinnützigkeit in besonderer Weise verpflichtet. Sie residiert im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin.


Tilo Schmidtsdorff bloggt unter https://mobil-hh.de/ u.a. zum Thema nachhaltige Mobilität





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