18. März 2016

Dr. Frank Bokelmann antwortet auf Mopo-Artikel zum Wildparken in der Behringstraße

Dr. Frank Bokelmann´s answer to Mopo article about Behringstraße


Lauensteinstraße: Die autogerchte Straße mit Fakeradwegbenutzungspflicht. Der ohnehin nicht gerade üppig bemessene Altbau-Radweg noch autogerechter gestaltet, indem das Parken auf ihm arrangiert wurde. Nun sollen Radfahrer im Dooringbereich neben den Stehzeugen Radeln, auf Kosten eines angessenen breiten Gehweges.


Hamburg will "Fahrradstadt" werden. Zumindest ist dies das Ziel des jetzigen Senats. Doch der Weg weg von der Autostadt dahin ist mit allerlei Hürden verbunden. Zwar gibt es ein städtisches Leihradsystem, viele Fahrradgeschäfte, einige Kilometer Velorouten, doch viele der heute noch vorhandenen Radwege wurden nicht angelegt, um den Radverkehr, sondern um den Autoverkehr zu fördern. Ebenso wie die Straßenbahn galten Radfahrer in den 60er Jahren als Störfaktor für den damals als Ideal empfundenen Autoverkehr. Fußgänger wurden an Kreuzungen in Unterführugen oder Überführungen verbannt, damit keine Autofahrer nicht an roten Ampeln wegen ebenerdiger Fußgängerquerverkehre warten mussten. Straßenbahnen wurden meist ersatzlos auf Busverkehr umgestellt und viele der unabhängigen Gleiskörper der Straßenbahnlinien zu Autoparkplätzen umgewandelt (Breitenfelder Straße, Fabriciusstraße, Straßburger Straße, Wallring, usw.). Radfahrer wurden weitgehend von den Fahrbahnen verbannt und erhielten schmale von den Gehwegen abgezwackte Streiflein, zumeist eingebettet zwischen Fußgängerverkehr und parkenden Autos, oder mussten verpflichtend auf vorhandenen schmalen Gehwegen radeln - ohne Rücksicht auf die Belange des Fußgängerverkehrs bzw. die eigene Sicherheit. Vorhandene ausreichend breite Radwege wurden mit Zunahme des Autoverkehrs in Parkplätze umgewandelt, der Radverkehr auf schmalere vom Gehweg abgezwackte Radwege verwiesen, oftmals dann in der Dooringzone der Stehzeuge. Mit der Trennung der Verkehrsräume für die einzelnen Verkehrsmittel wuchs die Zahl der Straßenkilometer, für die die Fahrbahnbenutzung für Radfahrer verboten worden war.


Behringstraße: So standen die Wildparker am bzw. auf dem benutzungspflichtigen Radweg. Mittlerweile versperren Poller und Bügel den Bereich zwischen Radweg und Fahrbahn, worüber sich die Freunde des Wildparkens aufregen


Wer erfahren will, was echte Radwege sind, der muss nach Kopenhagen reisen oder in die Niederlande. Im Vergleich dazu sind Hamburgs Radwege immer noch sehr weit rückständig. Denn eigentlich ist Hamburg immer noch eine Autostadt. Bestes Beispiel dazu die Behringstraße in Ottensen und Othmarschen. Zwischen Hohenzollernring und Griegstraße dient die Behringstraße als Autobahnzubringer. Pro Richtung hat die Straße je zwei Fahrspuren, an Kreuzungen zusätzliche Abbiegespuren. Auf beiden Straßenseiten sind ein Meter schmale Radwege vorhanden. Damit Radfahrer auf dem Radweg nicht Gefährdungen ausgehend von Stehzeugen ausgesetzt sind wurden im Dezember 2015 auf Veranlassung der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde Absperrelemente zwischen Radweg und Fahrbahn eingebaut. Diese sollen verhindern, dass Wildparker Radfahrer gefährden und Radfahrer regelwidrig auf Gehwege ausweichen.

Mit dieser Maßnahme schien das bisherig bestens austarierte Übergewicht des Autoverkehrs im Straßenraum aus den Fugen geraten zu sein. Nach einem Artikel im Ottenser Wochenblatt, in dem uneinsichtige Wildparker zu Wort kamen, ergriff auch die Mopo prominent Partei für Hamburgs Wildparker.

Die Hamburger Morgenpost nahm in einem Artikel vom 9. März die Wildparker in der Behringstraße in Schutz. Mathis Neuburger, Ressortleiter Lokales, propagierte gar das riskante Radfahren in der Dooringzone unmittelbar neben Stehzeugen am Radwegrand bzw. auf dem Radweg. Redakteurin Aline Brosch ließ in ihrem Artikel autofahrende Anwohner zu Wort kommen, die behaupten, dass Radfahren in der Dooringzone auf dem Radweg Behringstraße sicher sei. Räder hätten auf dem ein Meter schmalen Radweg unmittelbar neben Stehzeugen "genug Platz".

Im Gegensatz zur Mopo empfahl die Hamburger Polizei mit einem an Radfahrer gerichteten Flyer, Radfahrer sollten immer einen ausreichenden Sicherheitsabstand von wenigstens einem Meter zu parkenden Autos einhalten, egal ob auf der Fahrbahn oder dem Radweg.

Dr. Frank Bokelmann, den die Mopo 2008 als "harten Hund" und als "Radler-Rebell" darstellte, weil er bei unbenutzbaren benutzungspflichtigen "Radwegen" regelkonform auf Fahrbahnen auswich, hatte sich in der Behringstraße für die sichere Benutzbarkeit des Radwegs mit Rechtsmitteln eingesetzt. Nun unterstellt die Mopo diesem Radfahrer, er würde das Klima zwischen Rad- und Autofahrern vergiften.

Der letzte Mopo-Artikel war Anlass für Dr. Frank Bokelmann, sich mit einem Brief an die Redaktion zu wenden.

Sehr geehrte Frau Brosch,
sehr geehrter Herr Neuburger,


hätten Sie mir ein wenig Zeit für die Beantwortung Ihrer Anfrage gegeben, hätte dies Ihrem Artikel bzw. Ihrem Kommentar gut getan.

Die Aufstellung der von Ihnen beschriebenen Poller in der Behringstraße ist nicht das Ergebnis eines Poller-Irrsinns, sondern von der Polizei streng nach der noch von dem damaligen Innensenator Schill unterschriebenen Fachanweisung Absperrelemente 1/02 vom 1. Juli 2002 (Tz. 4.1.2) abgewogen und angeordnet worden.

Hintergrund ist tatsächlich die Aktion „Radweg oder Parkplatz“ des ADFC Hamburg im Jahr 2003, die jedoch keineswegs harmlos war, sondern von Anfang an auf ein spektakuläres Ergebnis abzielte. Das Motto war zwar fast als Frage formuliert „Ist das ein Radweg oder ein Parkplatz?“. Tatsächlich hätte die Aktion „Entweder Radweg oder Parkplatz“ heißen müssen, weil in fast allen Hauptverkehrsstraßen Hamburgs das Nebeneinander von Radwegen und Parkplätzen nur unter Verletzung zwingend einzuhaltender Sicherheitsabstände zwischen Radwegen bzw. gemeinsamen Geh- und Radwegen einerseits und Parkplätzen andererseits zu realisieren ist. Der notwendige Sicherheitstrennstreifen zwischen einem Radweg und den Längsparkplätzen muss grundsätzlich 75 cm (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln, Stand 2010) bzw. in Hamburg sogar 90 cm (Planungshinweise für Stadtstraßen, Teil 6 --PLAST 6-- der damaligen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Ausgabe 2005; hier Tabelle 2.2) betragen. Bei stark befahrenen Fahrbahnen müssen lt. PLAST 6, Abschnitt 3, Blatt 2 zudem die Parktaschen 2,30 Meter breit sein. Richtigerweise müßte dann der Radweg mehr als 3 Meter von der Fahrbahn entfernt angelegt sein, was fast nirgends der Fall ist.

In Wirklichkeit befinden sich die Parkplätze mit behördlicher Billigung oft so nah an den Radwegen, daß nicht wenige ungenau geparkte Kfz auf den ohnehin zu schmalen Radwegen stehen. Der ADFC beobachtete damals mit Sorge, daß fast alle Radfahrer angesichts dieser Zustände zur eigenen Sicherheit auf die ebenfalls zu schmalen Gehwege auswichen, dort vor allem ältere Fußgänger von der selbstverständlichen Nutzung der Gehwege abhielten und sich in der Presse „Kampfradler“ schimpfen lassen mußten.

Ich habe anläßlich dieser Aktion Falschparker in der Behringstraße auf ihr Fehlverhalten aufmerksam gemacht und schließlich in großer Zahl angezeigt. Ich habe auch den benutzungspflichtigen Radweg nicht mehr benutzt, bin auf die Fahrbahn ausgewichen und dann auch von der Polizei angezeigt worden. Die Anzeigen gegen mich verjährten wegen Aussichtlosigkeit der Verfolgung, die Anzeigen gegen die Falschparker wurden von der Polizei mit der Ansage, daß meine Anzeigen nur nervten, eingestellt.

Schlimmer noch – gegen den eindeutigen Gesetzesbefehl des § 16 Abs. 1 Satz 3 des Hamburgischen Wegegesetzes: „Im Rahmen des Gemeingebrauchs hat der fließende Verkehr den Vorrang vor dem ruhenden Verkehr“ wurden die zuvor nur geduldeten Parkplätze mit Zeichen 315 der StVO als reguläre Parkplätze ausgewiesen. Begründet wurde dies damit, daß Radverkehr angeblich kein fließender Verkehr sei, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Verwaltungsgericht Hamburg schon in mindestens zwei Urteilen zur Radwegbenutzungspflicht (und im November 2010 sogar das Bundesverwaltungsgericht) zur gegenteiligen Ansicht gelangt war. Gegen eine bloße weitere Duldung hätte ich wohl wenig machen können. Aber gegen die Anordnung der Parkplätze neben dem Radweg durch einen Verwaltungsakt konnte ich Widerspruch einlegen und tat dies fristgerecht im Jahr 2004. Dabei zeigte ich auf, daß ich durchaus bereit war, die Sache im Klageverfahren durchzuziehen, um mit dem Urteil im Rücken, in fast allen Hauptverkehrsstraßen die Parkplätze neben Radwegen zu tilgen. Es handelt sich dabei um viele tausend Parkplätze. Meine nächsten Ziele hatte ich mit Sievekingsallee und Langenhorner Chaussee (insgesam geschätzt 800 Parkplätze) längst markiert und es standen – wenn auch wenige – Mitstreiter bereit, um das Ergebnis zur Sicherheit des Radverkehrs hamburgweit umzusetzen.

Im Jahr 2013(!) erhielt ich einen Widerspruchsbescheid, in dem meine Widerspruchsbefugnis angezweifelt wurde, weil ich durch die Anordnung der Parkplätze als Radfahrer nicht betroffen sei. Es ist absolut selbstverständlich, gegen eine derart niederträchtige Begründung zu klagen. Damit hatte sich die Polizei als Straßenverkehrsbehörde endgültig ins Abseits gestellt und ein Grundsatzurteil riskiert, daß den Behörden, wenn ich Erfolg gehabt hätte, fast jeden Handlungsspielraum hätte nehmen können. Im Verfahren wurde daher die umstrittene Anordnung aufgehoben. Damit war das Parken auch neben der Fahrbahn schon seit April 2014 verboten.

Um überhaupt noch ernst genommen zu werden und das Verwaltungshandeln konsequent zu gestalten, mußte die Polizei dies aber auch durchsetzen. Allerdings konnten die nachfolgenden Anzeigenaktionen der Polizei die Anwohner offenbar nicht beeindrucken. Da es um die Sicherheit des Radverkehrs ging, musste die Polizei schließlich gemäß Schills Fachanweisung 1/02 die Poller anordnen.

Man kann gegen die Poller sein. Sie verhindern jedoch zuverlässig Einschränkungen des Radwegs durch geparkte Kfz und zudem, dass die Anwohner ihre Führerscheine aufgrund von in dichter Folge wiederholtem Falschparken verlieren können. So gesehen gibt es in dieser Sache sogar fast nur Gewinner.

Natürlich ist der Radweg schlecht gebaut und unterhalten. Aber er ist besser als manch‘ anderer Radweg. Und von einem Radfahrstreifen auf Kosten einer Fahrspur in einem Autobahnzubringer zu schwärmen ist Tagträumerei. Das wird nicht kommen und muss es auch nicht.

Gegen schlechte Radwegeoberflächen gehe ich übrigens auch gerade vor dem Verwaltungsgericht vor. Dies betrifft derzeit die Radwege an der Alsterkrugchaussee. Auf dieses Urteil bin ich besonders gespannt, da hier der umstrittene Radweg abschnittsweise kaum noch existiert, anderseits aber die Fahrbahn stark befahren ist und die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h heraufgesetzt wurde. Die Richter machen es sich, soweit ich es erkennen kann, auch nicht einfach.


Mit freundlichen Grüßen

Frank Bokelmann


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3 Kommentare:

  1. Ist der erwähnte Flyer von der Hamburger Polizei mit den Empfehlungen zum Sicherheitsabstand noch irgendwo erhältlich?

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    1. Nein, so ehrliche Auskunft wird jetzt nicht mehr gegeben. Aber es gibt die PLAST 6 im Internet, wo der Sicherheitstrennstreifen gefordert wird. Und 90 cm Breite desselben genügt auch bei einem nur einem Meter breiten Radweg, um die Sicherheit herzustellen.

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  2. Liebe Mopo-Redaktion, ihr werdet ja wohl den Schneid haben und den Brief von Dr. Bokelmann abdrucken, gelle?

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