25. Februar 2015

Absteiger beim Fahrradklima-Test: Ahrensburg wird stetig fahrradunfreundlicher

Cycling climate: Ahrensburg less cycle friendly
Aktualisiert am 25.02.2015


© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Hagener Allee: Gehwegbenutzungspflicht bei Tempo 30

Die Nachbargemeinde Ahrensburg (31.000 Einwohner) hat eigentlich ideale Bedingungen zum Radfahren. Keine großen Steigungen, kurze Wege ins Zentrum, verkehrsberuhigter Innenstadtbereich, Bahnhof nahe dem Stadtzentrum, Schnellbahn-Anschluss nach Hamburg. 2005 wurde Ahrensburg beim Fahrradklima-Test mit der Note 3,46 gewürdigt. Seitdem befindet sich Ahrensburg im freien Fall nach unten. 2012 gab es nur noch eine 4,01, und 2014 war es nicht mehr als eine 4,2. Der Mittelwert der Städte gleicher Größenklasse lag aktuell bei Note 3,6. Wofür wird Ahrensburg so abgestraft?


© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht bei regem Fußgängerverkehr und Tempo 30!

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht im Stadtzentrum (VZ240 bei Tempo 30!)

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Gehwegbenutzungspflicht im Stadtzentrum bei Tempo 30


Die schlechtesten Einzelbewertungen gibt es für das Fehlen eines Leihradsystems (5,5), zu schmale Radwege (5,3) und Radverkehrsführung an Baustellen (5,2). Das Leihradsystem wird in Ahrensburg wohl deshalb so stark bemängelt, weil der Vergleich zum in Hamburg bekannten und beliebten StadtRAD leicht fällt. Auch in den benachbarten Randgemeinden zu Hamburg wird dies bemängelt, so z.B. in Reinbek (Note 5,4), in Wentorf (Note 5,7), in Pinneberg (Note 5,6), in Buxtehude (Note 5,4), in Winsen (Note 4,9), in Ammersbek dagegen nur mit einer Note 4,2. In Wedel hat es das stadteigene Leihradsystem Wedelecs, doch dafür gibt es nur die Note 4,1. In Norderstedt gibt es den Betreiber "nextbike", dafür die Note 2,2. Das StadtRAD in Hamburg wird mit 2,0 bewertet. Daneben hat es aber auch noch einige touristische Leihradanbieter in Hamburg.


"Schöne" Stealth-Radwege
 
© hamburgize.com / Stefan Warda
Hättest du es erkannt? Das soll ein Radwegmosaik sein (natürlich Benutzungspflicht - weil es so "schön" ist?)

© hamburgize.com / Stefan Warda
Hättest du es gewusst? Ein Stealth-Radweg vor dem Ahrensburger Rathaus - benutzungspflichtig (VZ241)!

© hamburgize.com / Stefan Warda
Hättest du es erkannt? Ein klassischer Stealth-Radweg in der Manhagener Allee

© hamburgize.com / Stefan Warda
Hättest du ihn erkannt? Der Zweirichtungs-Stealth-Radweg in der Manhagener Allee


Gegenüber dem vorangegangen Test gibt es Veränderungen zum Positiven und Negativen. Die Teilnehmer werten mehr Bemühungen für das Werben um den Radverkehr (+ 0,39 Notenpunkte), sowie mehr oder bessere Medienberichte rund um das Thema Radfahren (+ 0,3 Notenpunkte). Dagegen wird Ahrensburg abgewertet wegen Einbahnstraßen (- 0,69 Notenpunkte), Abstellanlagen und Baustellen (jeweils - 0,44 Notenpunkte), sicheres Radfahren für Jung und Alt auf Radverkehrsanlagen (- 0,34 Notenpunkte), Konflikte mit Kfz und Fahrradmitnahme beim HVV (jeweils - 0,32 Notenpunkte), Breite der "Radwege" (- 0,31 Notenpunkte), fehlender Winterdienst (- 0,28 Notenpunkte), schlechte Ampelschaltungen und Unsicherheitsgefühl (jeweils - 0,27 Notenpunkte), Kampfparker (- 0,25 Notenpunkte) und zügiges Radfahren (- 0,23 Notenpunkte).


© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Sowas gehört eigentlich verboten: Gefährliches Radeln in Ahrensburg. Zur eigenen Sicherheit sollten Radler hier lieber auf die Fahrbahn ausweichen. Nur gehört dazu Mut und Selbstbewußtsein angesichts ungeduldiger Autofaher, die Fahrbahnradler hier nicht mögen

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Hamburger Straße: Wer fährt hier gerne Rad? (VZ241)

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Manhagener Allee: Schmaler Zweirichtungsradweg (VZ241) im Dooringbereich


Auffällig ist die größte Veränderung bei den Einbahnstraßen. Während in den meisten Kommunen Einbahnstraßen für den Radverkehr geöffnet werden, scheint in Ahrensburg die Verkehrsführung nachteilig verändert worden zu sein. Die schlechtere Bewertung für den HVV ist nicht nachvollziehbar, das Angebot ist seit 2012 unverändert. Die anderen Bewertungen geben Auskunft über das allgeine Sicherheitsgefühl der Radler in Ahrensburg. Die "Radwege" werden noch schmaler empfunden, Konflikte mit Kfz machen den Radlern zu schaffen und allgemein scheint Radfahren in Ahrensburg unsicherer geworden zu sein.


Ahrensburg - Stadt der schmalen Fakeradwege

© hamburgize.com / Stefan Warda

© hamburgize.com / Stefan Warda
Schöne Aussichten am "Radweg"

© hamburgize.com / Stefan Warda
"Radweg" mit Kampfsteher

© hamburgize.com / Stefan Warda
Bildrätsel: Das Bild zeigt vier Fehler - wer entdeckt sie und findet eine Erklärung?

© hamburgize.com / Stefan Warda
Fakeradweg im Dooringbereich

© hamburgize.com / Stefan Warda
Lübecker Straße / Am Weinberg - Überdimensionierte Kreuzung, kaum Platz für Radfahrer

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Hamburger Straße mit Fakeradweg


Gegen die Planung eines angemessen breiten Radwegs gab es letztes Jahr eine Demonstration aufgebrachter Bürger, die darin einen "Luxus-Radweg" sahen. Ursprünglich sollte neben einem zwei Meter breitem Gehweg ein 2,25 Meter breiter Radweg angelegt werden. Die Politiker beschlossen mehrheitlich parteienübergreifend stattdessen einen drei Meter breiten gemeinsamen Geh- und Radweg zu bauen.

Die Wege sind unverhältnismäßig breit und passen nicht in die Landschaft (Hartmut Möller, SPD Ahrensburg)


"Luxus-Radwege" in Ahrensburg unerwünscht

© hamburgize.com / Stefan Warda
Ahrensburg: Schmale Grünradwege sollen in Ahrensburg genügen

© hamburgize.com / Stefan Warda
Breite Radwege wie hier in Glostrup bei Kopenhagen sind für Ahrensburger dagegen "unverhältnismäßig"

© hamburgize.com / Stefan Warda
Geht nicht in der Autostadt Ahrensburg, weil "unverhältnismäßig" (Albertslund / DK)

© hamburgize.com / Stefan Warda
Geht auch nicht - "unverhältnismäßig" (Albertslund / DK)


Nun ist es an der Zeit, dagegen zu steuern. Die Autostadt Ahrensburg leistet sich seit 1998 leider immer noch widerrechtliche Gehwegbenutzungspflichten in der verkehrsberuhigten Innenstadt bei Tempo 30, viele Kilometer an Fakeradwegen im Dooringbereich an Hauptstraßen mit Benutzungspflicht, und selbst in neuen Wohngebieten setzt Ahrensburg auf Verkehrstrennung mit Gehwegbenutzungspflicht bei Tempo 30. Die Novellierung der StVO von 1997 und die damit einhergehende Rechtssprechung seitdem scheint in Ahrensburgs Straßenverkehrsbehörde immer noch nicht angekommen zu sein. Viele Straßenräume werden vom Kfz-Verkehr dominiert. Dem Radverkehr fällt nur ein mageres Almosen ab, zahlreiche Kreuzungen sind überdimensioniert ausgelegt mit freien Rechtsabbiegern und damit einhergehenden komplizierten Radverkehrsführungen. Fast alle "Radwege" sind auf Diät gesetzt und genügen nicht den Anforderungen an einen normalen und sicheren Radverkehr. Wie wäre es mal mit einer Exkursion in die Niederlande, um sich vor Ort bei Radverkehrs-Experten beraten zu lassen? Aber selbst ein Blick auf vergleichbare deutsche Städte kann sich lohnen wie z.B. Soest oder Lörrach.



© hamburgize.com / Stefan Warda
"Luxus-Radweg" an Hauptstraße in Beuningen (NL), 25.000 Einwohner

© hamburgize.com / Stefan Warda
Fakeradweg an Hauptstraße in Ahrensburg (D), 31.000 Einwohner

© hamburgize.com / Stefan Warda
Innenstadtstraße in Venlo/NL

© hamburgize.com / Stefan Warda
Innenstadtstraße in Autostadt Ahrensburg

© hamburgize.com / Stefan Warda
Venlo/NL - Einkaufsstraße

© hamburgize.com / Stefan Warda
Autostadt Ahrensburg - Einkaufsstraße

© hamburgize.com / Stefan Warda
Ahrensburger Rathaus, Sitz der Straßenverkehrsbehörde: Das Übel muss hier an der Wurzel gepackt werden


Mehr . . . / More . . . :
.

5 Kommentare:

  1. Geil! Vielen Dank für diese saubere Dokumentation! Darf ich mir sowas für Büchen wünschen? Ich helf auch gern aber traue mir das allein nicht zu....

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dann sollten die Büchener zunächst erstmal ihren Ort beim Fahrradklima-Test bewerten ;-)

      Löschen
  2. Ich habs natürlich selber bewertet, leider konnte ich noch nicht genügend weitere Fahrradentthusiathen dazu bewegen. Immerhin geht jetzt schonmal eine nunfür Radfahrer freigegebene Einbahnstraße auf mein Konto, ich hab mehrere Schildpatenschaften und weitere Aktionen laufen. Also mal sehen, was 2015 noch so bringt... :-) Besten Gruß Martin

    AntwortenLöschen
  3. Ich möchte lösen, es sind vier falschfahrende Radfahrer. Naja, Fehlplanung führt zu Fehlverhalten. Wie so oft.

    Ist der Sprung zu Norderstedt in "Während in den meisten Kommunen" beabsichtigt, oder ein Typo?

    AntwortenLöschen